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08.10.2023, 20:29:24 / Inland
Wahlen in Bayern und Hessen

Läuft noch

Das Signal lautet: Die AfD soll in der Bundesrepublik zur festen politischen Größe werden.
Von Arnold Schölzel
Wiesbaden: Anhänger der SPD reagieren nach der Veröffentlichung
Wiesbaden: Anhänger der SPD reagieren nach der Veröffentlichung der ersten Prognose zur Landtagswahl in Hessen

Es kam, wie seit Wochen vorhergesagt. Das war bei einigen Wahlen zuletzt nicht so und auch jetzt gab es einen Ausreißer: Die Hessen-CDU wuchs um mehr als acht Prozent. Das hatten die Umfrageinstitute nicht auf dem Zettel. Auch das besagt: Konservative und rechte Stimmungen bestimmten in beiden Landtagswahlen die Mehrheiten. In Bayern kämpften mit CSU, Freien Wählern und AfD drei größere Parteien um dieses Lager. Sie kommen zusammen auf eine Zweidrittelmehrheit. In Hessen wetteiferten CDU und AfD miteinander und erreichen zusammen eine absolute Mehrheit.

Die Bürgermedien halfen nach. Sie machten das Dreipunkteprogramm der AfD – Migranten, Migranten, Migranten – zu ihrem Hauptthema, oft mit falschen Zahlen. Musterfall war Friedrich Merz, der 300.000 Ausreisepflichtige halluzinierte, die Zahnersatz schneller erhalten als Deutsche. Der Hetze entsprach das Ergebnis – es ist ein Sieg der PR-Strategen. Das Signal lautet: Die AfD soll in der Bundesrepublik zur festen politischen Größe werden. Das schließt ein: Wartet noch eine Weile, dann holen wir euch ins Regierungsboot. Mitten im Wahlkampf verschwand in Thüringen schon mal die »Brandmauer«. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Zuspitzung von Krieg und Krise, bis die Blätter von Springer, Holtzbrinck, Funke-Medien oder andere Milliardärspostillen beginnen, Björn Höcke salonfähig zu machen.

Hilfreich für die AfD war jetzt schon ihre Darstellung als unkalkulierbare Protestpartei. Das ist sie nicht mehr, seitdem sie sich erklärtermaßen als Steigbügelhalter für »Altparteien« sieht. Wer aber Wahlen für Denkzettel nutzt, dem wurde mitgeteilt: Stimmen für die regen die Etablierten, »die da oben« auf. Klappt immer wieder.

Die Linke hat ihr Heil im Mainstream gesucht, genauer: In der Annäherung an imperialistische Kriegspolitik. Sie darf sich nicht wundern, dass sie auch mit deren Folgen identifiziert wird – von Teuerung bis Reallohnverlust und Massaker in sozialer und kultureller Infrastruktur.

Mit der Abwahl in Hessen verschwindet die Partei nicht nur nach 15 Jahren aus dem Parlament eines westdeutschen Flächenlandes. Es wird vermutlich den Anfang vom Ende der Partei insgesamt einleiten. Einige in ihr scheinen dieses Datum abgewartet zu haben, um den Bruch, der längst da ist, offenzulegen – in welcher Form auch immer. Dieser 8. Oktober wäre damit ein Schlag für linke Kräfte in diesem Land insgesamt und eine erneute Zäsur. Was danach kommt, sind Abwicklung und Lokalpolitik. Zur Freude besteht kein Anlass.

Ein Geheimnis der Umfrager bleibt, ob der Krieg bei der Stimmabgabe eine Rolle gespielt hat. Die enorme Unzufriedenheit mit der Bundesregierung spricht dafür, dass es so war und dass deren Waffenlieferwahn kritisch gesehen wird. Das Thema taucht aber in der veröffentlichten Meinung nicht auf, bei Krieg ist Ruhe an der Heimatfront erste Pflicht im Überbau. Unzufriedenheit, so wurde wiedergegeben, erregen ausschließlich Murks und Nichtstun im Innern – vom versagenden Bildungswesen bis zu Energiekosten. SPD und FDP zahlen dafür am meisten, Bündnis 90/Die Grünen leider nicht so viel, wie es die durchgeknallten antirussischen Menschenrechtskrieger verdient hätten.

Entscheidend war aber: Etwas ändern wollen die Wähler, die sich relativ fleißig an der Abstimmung beteiligten, in beiden Ländern nicht, sie wollen das Bekannte behalten. Erwünscht ist der gewohnte Gang, weil es in der Region noch so läuft – nur nicht in »Berlin«.Bayern und Hessen beherbergen Zentren ökonomischer Macht weit über die Bundesrepublik hinaus. Zusammen mit Baden-Württemberg repräsentieren beide Bundesländer eine Gesellschaft, in der gigantische Vermögen akkumuliert werden, ohne dass die statistisch gegebene soziale Ungleichheit sichtbare Formen annimmt – mit wenigen Ausnahmen: Bahnhofsviertel Frankfurt am Main oder wenige vernachlässigte Landkreise. Das prägt Mentalitäten. Die Konzentration von Kapitalmacht in diesen drei Bundesländern verschafft enorme Extraprofite und eine nicht nur eingebildete Überlegenheit gegenüber dem Rest der Bundesrepublik – Nordrhein-Westfalen ist seit langem nach hinten gerückt, im Norden gab es mit Ausnahme von Milliardärs-Hamburg oder VW wenig globale Potenz, der Osten einschließlich Berlin ist aus solcher Perspektive nicht mehr als eine mit inzwischen zwei Billionen Euro subventionierte Immobilie mit überwiegend dubiosen, weil undankbaren Bewohnern. Da wird anders gewählt.

Geld wird in Frankfurt am Main, in München und Stuttgart gemacht. Geld hat am Sonntag gewonnen. Und die Hoffnung, davon was abzubekommen.

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