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Aus: Ausgabe vom 11.10.2023, Seite 15 / Antifaschismus
Mordurteil im Saarlouis-Prozess

32 Jahre lang ungesühnt

OLG Koblenz verurteilt Rechtsterroristen wegen Anschlag auf Geflüchtetenunterkunft 1991 in Saarlouis. Antifa prangert Ermittlungsversagen an
Von Marc Bebenroth
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Blumen am Gedenkstein für Samuel Kofi Yeboah zum 31. Jahrestag des Brandanschlags (Saarlouis, 19.9.2022)

Samuel Kofi Yeboah habe »nicht ansatzweise eine Chance« gehabt, »diesem Feuerball zu entkommen«: Der Vorsitzende Richter im Prozess gegen den 52jährigen Hauptangeklagten Peter S. am Oberlandesgericht Koblenz hat am Montag seine Entscheidung begründet. Das Gericht verurteilt den Neonazi für den tödlichen Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis 1991 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten. Weil der Deutsche zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war, wurde die Strafe nach Jugendstrafrecht verhängt. Sie erfolgt wegen Mordes sowie versuchten Mordes in 12 Fällen und besonders schwerer Brandstiftung.

Mit der Tat geprahlt

Der 27jährige Ghanaer Yeboah überlebte den rassistisch motivierten Anschlag nicht. Weitere Bewohner konnten sich retten, zwei erlitten nach einem Sprung aus dem Fenster Knochenbrüche. Das Gericht war überzeugt, dass der Angeklagte S. nach einem Barabend mit Freunden das Feuer selbst legte. Einer der Männer sitzt wegen Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft. Das Gericht geht davon aus, dass der damals 20jährige die Tat allein beging.

Dessen Verteidigung beharrte bis zuletzt darauf, dass S. »nur Mitläufer« sei. Allerdings gründet sich das Urteil vor allem auf Aussagen von zwei Zeugen, die berichteten, wie der Angeklagte mit der Tat geprahlt habe. Der Neonazi habe schließlich 2007 auf einem Grillfest gegenüber einer Zeugin im Verfahren die Tat mit den Worten gestanden: »Das war ich und sie haben mich nie erwischt«. Jahre später erstattete sie Anzeige, nachdem sie gelesen hatte, dass bei dem Brand ein Mensch ums Leben gekommen war.

Mangelnder Aufklärungswille

Das Urteil sei begrüßenswert, komme aber 30 Jahre zu spät, erklärte Sarah Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar/Projekt AK in einer Mitteilung vom Montag. »30 Jahre, in denen die Täter und ihr Umfeld von staatlicher Seite weitgehend unbehelligt weiterleben durften, und auch weiter die neonazistische Organisierung im Saarland voranbringen konnten.« Den Überlebenden sei jahrzehntelang keine Unterstützung durch den Staat geleistet worden, »ihnen wurde nicht geglaubt«, kritisierte Jost. Im Koblenzer Verfahren sei deutlich geworden, dass in den 1990er Jahren die Polizei »nicht nur kein Interesse an einer Aufklärung hatte«, sondern Zeugenaussagen verfälscht worden seien. Die Sprecherin bezeichnete es als »folgerichtig«, dass »Antifa und migrantische Communities den Selbstschutz in die eigene Hand nehmen mussten«.

Seit 4. Oktober soll im saarländischen Landtag ein Untersuchungsausschuss der Frage nachgehen, weshalb in den 1990er Jahren von mehr als 20 rechten Anschlägen im Saarland kein einziger aufgeklärt worden war. Die Vorsitzende des Gremiums, Sevim Kaya-Karadağ (SPD), bezeichnete das Urteil laut dpa-Bericht vom Montag als »gutes Signal für die Opfer«. Ziel des Ausschusses sei es ihr zufolge nun, zu ergründen, ob und welche »Fehler« sich Behörden und politisch Verantwortliche vorwerfen lassen müssen.

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