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02.07.2017, 18:11:25 / No G20

»Platz an der Sonne«

Diskussion in Hamburg klärte auf zum Themenkreis Afrika, G 20 und neokoloniale BRD-Wirtschaftsprogramme
Von Felix Jota
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Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gibt sich gern antikapitalistisch. Die Wirtschaftsprogramme der Bundesregierung werden indes auch in Afrika als offen neokolonial bezeichnet

Die Bundesregierung inszeniert sich als Retter des ärmsten Kontinents, hat Afrika zu einem Schwerpunkt der deutschen G-20-Präsidentschaft gemacht. Tatsächlich geht es ihr offenbar wieder nur um das eine: bei der (Neo-)Kolonialisierung Afrikas nicht zu spät zu kommen. Es geht um den sprichwörtlichen »Platz an der Sonne«, den schon vor 120 Jahren eine deutsche Regierung beim Wettlauf um Kolonien einforderte. Eine Woche vor dem Schaulaufen der G-20-Herrscher lieferte am Freitag eine Veranstaltung der Fraktion von Die Linke in der Bürgerschaft Informationen für die Plausibilität dieser These.

Der Kaisersaal des Rathauses war voll, rund 150 Menschen wollten den linken Bürgerschaftsabgeordneten Martin Dolzer, Organisator der Diskussion, und seine afrikanischen Gäste hören. Offensichtlich besteht Aufklärungsbedarf beim Thema Afrika und G 20, das in der Berichterstattung zum Gipfel bisher eher zu kurz kam.

Angesichts der vielen Abbildungen im Saal, die von der Beteiligung Hamburgs an kolonialen Verbrechen künden, fiel es nicht schwer, Dolzers Ausflug in die Geschichte mitzumachen. Er zog eine Parallele von der Afrika-Konferenz, zu der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor drei Wochen nach Berlin eingeladen hatte, zur sogenannten Kongokonferenz in Berlin 1884/85. Damals sei Afrika zwischen den europäischen Mächten aufgeteilt, seien Grenzen ohne jede Rücksicht auf gewachsene Strukturen gezogen worden.

Schäubles Meeting war ein Baustein des Prestigeprojekts des Finanzministeriums »Compact with africa« (Abkommen mit Afrika), das Investitionen akquirieren soll. Das werde die Arbeitslosigkeit senken und die Infrastruktur der beteiligen Länder verbessern. Tatsächlich gehe es um eine Zurichtung Afrikas für die Interessen von Investoren, so Dolzer. Deutschland wolle »sein Stück vom Kuchen«.

Schäuble habe zum Treffen nur sechs afrikanische Staatschefs eingeladen, die, die bereit seien, ihre Märkte noch weiter für westliche Konzerne zu öffnen. Dafür seien ihnen insgesamt 300 Millionen Euro zugesagt worden. »Also eine halbe Elbphilharmonie, noch mal durch sechs geteilt – das ist purer Zynismus!« so Dolzer.

Es geht heute wie damals um die Ausplünderung Afrikas. Das machte auch Clotilde Ohouochi deutlich, frühere Sozialministerin der Elfenbeinküste. Es sei ein Paradox, dass ein an sich reicher Kontinent mit riesigen Rohstoffvorkommen, etwa Gold, Coltan, Uran, Öl, und guten Böden ökonomisch so arm sei. Ursache dafür sei, dass westliche Konzerne diese Ressourcen ausbeuteten und ihre Profite abschöpften, statt sie zu investieren – und Afrikas Regierungen das zuließen.

Am Beispiel Niger ließen sich die Folgen erkennen. »Der Niger gehört zu den Staaten mit der den größten Uranfördermengen und ist zugleich eines der ärmsten Länder«, sagte Ohouochi. Das Uran beute der französische Konzern Areva aus, dessen Umsatz das Budget des nigrischen Staates übersteigt.

Von ähnlichen Geschäften konnte Izotou Abi Alfa aus Togo berichten, Chefredakteur der Zeitung »Le Rendez Vous«. Togo gehört ebenfalls zu den ärmsten Ländern der Welt, obwohl es Vorkommen an Kalk, Grundstoff für Zement, und Phosphaten besitzt. Die seit etwa 50 Jahren regierende Herrscherfamilie habe, so Abi Alfa, die Phosphatlagerstätten pauschal an Israel verkauft – und im Gegenzug Waffen erhalten.

Ohouochi betonte, Afrika brauche keinen »Marshallplan«, wie er auf dem G-20-Gipfel beraten werden soll. »Sie müssen endlich die Souveränität der afrikanischen Staaten respektieren, statt über unsere Köpfe hinweg über unsere Zukunft zu entscheiden«, rief die Politikerin unter dem Beifall der Zuhörer aus.

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