Der Weg der Partisanen
Von Ernest Kaltenegger, Graz
Wer sich für antifaschistische Gedenkstätten interessiert, braucht in Slowenien nicht lange zu suchen. Es gibt kaum ein Dorf, in dem nicht wenigstens eine Gedenktafel an den Widerstand gegen die Besatzer in den Jahren zwischen 1941 und 1945 erinnert. Mehr als 8.000 gibt es in Slowenien, und es bleibt nicht nur bei diesen stummen Zeugen. Mehrere hundert Veranstaltungen jährlich sind ein wirksames Mittel gegen das Vergessen.
Drei Wochen nach dem Überfall auf Jugoslawien durch deutsche, italienische, ungarische und bulgarische Truppen wurde am 27. April 1941 in Ljubljana die »Osvobodilna Fronta« (Befreiungsfront) von Antifaschisten gegründet. Heute ist der 27. April ein offizieller Feiertag in Slowenien und wird als »Tag des Aufstands gegen den Besatzer« begangen. Doch diese Geschichte reicht sogar gut zwei Jahrzehnte weiter zurück. Der Westteil des heutigen Slowenien fiel nach dem Ende des Ersten Weltkrieges an Italien. Italienische Nationalisten übten sofort Druck auf die slowenisch- und kroatischsprachige Bevölkerung aus. Am 13. Juli 1920 setzten die Faschisten den »Narodni dom«, das slowenische Volkshaus in Triest, in Brand. Mit Mussolinis Machtantritt im Jahr 1922 verschärfte sich die Lage der 350.000 Slowenen auf italienischem Gebiet noch weiter, die slowenische Sprache wurde aus Schulen und Ämtern verdrängt. Mussolini erklärte, dass man das Slowenische wie Wanzen ausrotten müsse.
Die Antwort darauf war die Bildung der antifaschistischen Widerstandsgruppe TIGR, deren Name sich aus den Anfangsbuchstaben von Trst (Triest), Istra (Istrien), Gorica (Görz) und Reka (Rijeka) ergab. Nach dem Überfall faschistischer Staaten auf Jugoslawien schlossen sich viele Kämpfer von TIGR der Befreiungsfront Titos an.
Als Deutschland im April 1941 einen großen Teil Sloweniens annektierte, verschlimmerte sich die Lage der dortigen Bevölkerung in katastrophaler Weise. Bereits am 26. April 1941 besuchte Hitler Maribor und gab dem ihn begleitenden Tross von Nazibonzen, mit dem steirischen Gauleiter Siegfried Uiberreither an der Spitze, die Linie vor: »Machen Sie mir dieses Land wieder deutsch!« Deportationen Zehntausender Sloweninnen und Slowenen folgten. Vor allem im sogenannten »Ranner Dreieck« an der Save (Krško, Brežice, Sevnica) kam es zu Massenvertreibungen, um Platz für die deutschsprechenden Gottscheer und Kanaltaler zu schaffen, die man in Absprache mit dem faschistischen Italien »heim ins Reich« holen wollte. Viele von Deportation bedrohte Sloweninnen und Slowenen schlossen sich im Kampf gegen das Terrorregime der Nazis den Partisanen an. In diesem kleinen Land mit zwei Millionen Einwohnern gab es bereits zu Beginn des Jahres 1944 eine Armee von 40.000 Frauen und Männern. Große Unterstützung kam dazu aus vielen Bereichen der Bevölkerung.
Nach der Kapitulation Italiens und dem Abschluss eines Waffenstillstandsvertrages mit den Alliierten am 8. September 1943 zogen die italienischen Soldaten aus dem von ihnen besetzten Teil Sloweniens ab. Dies eröffnete der Partisanenbewegung neue Möglichkeiten zum Ausbau ihrer Strukturen. Im Kočevski rog – einem riesigen Waldgebiet – entstand die »Baza 20« ein aus 26 Baracken bestehendes Hauptquartier der politischen und militärischen Führung des slowenischen Widerstands. Auf Grund ihrer Lage – sie befand sich relativ nah am Waldrand, womit die Gegner niemals gerechnet hatten – wurde die Baza niemals entdeckt. Die Deutschen vermuteten sie zwar im Wald, jedoch viel weiter im Inneren. Als sie in Schützenreihe vorrückten, um das Partisanenquartier zu finden, waren sie auch schon längst wieder daran vorbeigezogen.
Seit 2010 ist die Baza 20 als Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung geschützt. Heute kann dieser bedeutende Ort des antifaschistischen Widerstands besichtigt werden. Alljährlich findet dort eine Gedenkveranstaltung mit Kulturprogramm statt. Im Kočevski rog befinden sich noch mehrere Partisanenkrankenhäuser und andere Erinnerungsstätten.
Viel zu sehen gibt es auch in der nahegelegenen Bela krajina. Abgesehen von einem großen Denkmal am Hügel inmitten des Hauptortes Črnomelj findet man vor dem Bahnhof eine Dampflok mit dem Hinweis, dass findige Partisaneningenieure daran ein Stromaggregat angebaut hatten, um diese Stadt im befreiten Gebiet mit Energie zu versorgen. Weiters stößt man auf eine Tafel, die an ein Partisanengymnasium erinnert, oder am Postamt auf eine Ausstellung über das Partisanenkurierwesen.
Dazu gibt es noch ein ganz besonderes Angebot: Den »Pot kurijev in vezistov« (Weg der Kuriere und Melder), der an das geheime Partisanenkurierwesen erinnert. Der Weg ist jetzt eine Weitwanderroute, die von Prekmurje bis kurz vor die Küste führt. Am Weg lernt man zahlreiche Stätten des Widerstands kennen.
Dies ist allerdings längst nicht das einzige Angebot für Wanderfreudige. Seit mehreren Jahren gibt es auch »Vranov let«, den Flug der Krähe in die Freiheit. Hier geht es um einen Wanderweg von Ožbald bei Maribor bis zum Partisanenflugplatz Otok in der Bela krajina. Er erinnert an eine Massenflucht von fast 100 Kriegsgefangenen, die mit Hilfe der Partisanen von Otok sicher zu den Flugzeugen gebracht wurden, die sie dann nach Italien ausflogen. Eine rührige Gruppe um Eduard Vedernjak hat die gesamte Strecke markiert und erinnert so an den Mut slowenischer Partisanen, Partisanenkuriere und des Großteils der ländlichen Bevölkerung, die den Flüchtlingen Nahrung und Zuflucht boten.
Unterstützt werden solche Aktivitäten vom Dachverband der Kämpferverbände für die Werte der Nationalen Befreiungsbewegung Sloweniens, dem ZZB NOB. Er zählt zu den Säulen einer lebendigen antifaschistischen Gedenkkultur im Lande, die Großveranstaltungen mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern und Wanderungen in Erinnerung an besondere Ereignisse umfasst. Auch bei politischen Ereignissen von Bedeutung hat das Wort des Verbandes Gewicht.
War die Kulturarbeit schon während des Krieges ein wichtiges Element, an der sich namhafte Schauspielerinnen und Dichter, Maler, Musiker und andere beteiligten, wirkt sie bis heute nach. Als beispielsweise vor zwei Jahren der Triestiner Partisanenchor Pinko Tomažič sein 50jähriges Bestandsjubiläum feierte, füllte er selbstverständlich die größte Halle Ljubljanas, neben zahlreichen namhaften Künstlerinnen und Künstlern, die Programmbeiträge lieferten, waren neben der Staatspräsidentin Nataša Pirc Musar weitere Spitzpolitiker erschienen.
Von sehr weit rechts stehenden Politikern abgesehen, ist der Erhalt der vielen Gedenkstätten ein parteiübergreifendes Anliegen. Als 2007 das bekannte und äußerst eindrucksvolle Partisanenkrankenhaus Franja durch ein Unwetter zerstört wurde, erfolgte umgehend der Beschluss zum Wiederaufbau. Vor zwei Jahren richtete ein schweres Hochwasser abermals große Schäden an. Doch auch jetzt arbeitet man bereits wieder an der Restaurierung dieses Denkmals der Menschlichkeit.
Ebenfalls einmalig ist die Partisanendruckerei Slovenija in den Bergen von Vojsko bei Idrija. Dort arbeiteten 40 Leute an verschiedenen Publikationen. Ihnen gelang, was in allen okkupierten Gebieten Europas niemand schaffte: Sie gaben eine Tageszeitung heraus. Die Druckerei ist noch im Originalzustand, auch die Druckmaschine funktioniert noch.
Ernest Kaltenegger war von 1998 bis 2005 Wohnungsstadtrat in der steirischen Landeshauptstadt Graz und von 2005 bis 2010 Landtagsabgeordneter des KPÖ-Landtagsklubs.
Karte mit Gedenkstätten:
https://www.geopedia.world/?locale=sl#T281_L2518_x1646759.337375837_y5812271.630804799_s9_b362
Kämpferverbände:
https://www.zzb-nob.si/aktualno/
Baza 20:
https://www.dolenjskimuzej.si/lokacije/kocevski-rog/
Partisanendruckerei Slovenija:
https://www.muzej-idrija-cerkno.si/de/lokacija/partisanendruckerei-slovenija/
Partisanenkrankenhaus Franja:
https://www.pb-franja.si/de/treffen-sie-franja/franja-partisanenkrankenhaus-1943-1945
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