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Aus: »Saigon ist frei«, Beilage der jW vom 23.04.2025
Vietnamkrieg

Antikommunistische Flut

Der Vietnamkrieg wurde von der faschistischen Internationale angeheizt. Den harten Kern bildeten Hitlerkollaborateure und Nazis
Von Susann Witt-Stahl
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Die Panzer der Befreier rücken am 30. April 1975 auf den Präsidentenpalast in Saigon vor

Veteranenverbände, christliche und andere Rechte in den USA haben regelmäßig gegen die Antikriegsproteste der »Peaceniks« und internationalistischen Linken mobilgemacht. Nachdem im April 1967 Massendemonstrationen der Friedensbewegung stattgefunden hatten, formierte sich als Antwort am 13. Mai in New York City eine »antikommunistische Parade« zur Unterstützung der US-Truppen in Vietnam mit rund 70.000 Teilnehmern. Mit an der Spitze des Marschs der »Patrioten«, die »Bomb Hanoi!« skandierten und die »Left-wingers« zur Hölle wünschten, fanden sich auch mehrere tausend Vertreter der faschistischen Internationale – ukrainische, kroatische, ungarische und andere osteuropäische Exilanten, sogar eine Delegation aus Westdeutschland war angereist.

Aufgerufen hatte die US-amerikanische Sektion des Anti-Bolshevik Bloc of Nations (ABN), der 1946 in München vom Bandera-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) als größter Verband von ehemaligen Hitlerkollaborateuren weltweit gegründet worden war. Vorsitzender der »amerikanischen Freunde« des ABN war Iwan Dotschew. Hatte er im Zweiten Weltkrieg als Anführer des nazistischen Bundes der Bulgarischen Nationalen Legionen den Kreuzzug gegen den »jüdischen Bolschewismus« gepredigt, engagierte er sich nun im Namen der »freien Welt« für den »Widerstand gegen den Kommunismus« in Vietnam. Das galt auch für Stjepan Hefer, rechte Hand von Hitlers und Mussolinis kroatischem Vasallen Ante Pavelić, wie viele andere ehemalige Verbündete der Achsenmächte.

Gegen die »roten Tyrannen«

Die Führer prowestlicher faschistischer Organisationen und andere Ultrarechte hatten schon in den frühen 1960er Jahren den Vietnamkrieg befeuert. Ku Cheng-kang, Präsident der Asian Peoples’ Anti-Communist League (APACL) und einflussreicher Guomindang-Politiker, warb 1964 für eine umgekehrte Dominotheorie gegen die vorherrschende Eindämmungspolitik: Ein »Gegenangriff« von Chiang Kai-sheks Armee auf die Volksrepublik China mit Unterstützung der USA sollte eine »antikommunistischen Flut« lostreten, so Ku Cheng-kang, die auch »Befreiungskriege« der Vietnamesen wie der Koreaner hinter dem »Eisernen Vorhang« herbeiführen würden. Die Aussicht, dass es nach dessen Fall in Asien zu konterrevolutionären Aufständen der »versklavten Völker« in Osteuropa gegen die Sowjetunion kommen könnte, hatte schon zwei Jahre vorher den Führer des ABN und der OUN-B, Jaroslaw Stezko, zu einer Solidaritätserklärung an Ku Cheng-kang veranlasst – mit dem Hinweis, dass der Kommunismus eine nach Asien verschleppte »russische Seuche« sei. Der Westen müsse gegen alle »roten Tyrannen« in die Offensive gehen und seine gesamte Kraft auf einen universellen Kampf an allen Fronten gegen den Kommunismus konzentrieren, bis hinein in das »Zentrum der Weltaggression« Moskau.

Bereits in den 1950er Jahren hatte die APACL auf offizieller Ebene enge Beziehungen zum Regime Südvietnams geknüpft. 1957 hielt sie in Saigon ihre erste Jahreskonferenz ab, eine weitere folgte 1963 mit dem damaligen Diktator Ngo Dinh Diem als Gastgeber; die Abordnung des ABN wurde von Stezkos Ehefrau Slawa, später dessen Nachfolgerin, angeführt.

Nach Beginn der Eskalation in Vietnam zum heißen Krieg der »Freedom and Democracy«-Supermacht gegen die »Vietcong« und andere Stellvertreter des »Bösen«, UdSSR und »Rotchina«, baute die faschistische Internationale ihr antikommunistisches Netzwerk aus. Die APACL wurde 1966 zur World Anti-Communist League (WACL) erweitert mit dem ABN als tragender Säule sowie anderen ultrarechten Bewegungen aus mehr als 60 Ländern. Laut Monthly Review soll die WACL auch antikommunistische Guerillas in Vietnam ausgerüstet haben. Namhafte US-Militärs, die in Indochina im Einsatz waren, zählten zu ihren Mitgliedern. Beispielsweise der spätere Senator John McCain, ebenso John Singlaub, der als Kommandeur von Killertrupps der Special Operations Group ganze vietnamesische Dörfer auslöschen ließ, sobald sie in Verdacht standen, mit den »Vietcong« zu konspirieren. Der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Vietnam gehörte zwar keiner Struktur der faschistischen Internationale an, verpasste aber dem paramilitärischen Arm der OUN-B, einer ihrer Kernorganisationen, den Ritterschlag: »Ihr Mut und ihre Ehre waren im Kampf um die Freiheit unübertroffen«, würdigte General William Westmoreland 1967 in einem Brief an den ABN die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) – obwohl diese im Holocaust mitgemordet hatte.

Vietnam weckte auch bei deutschen Revanchisten, die die Niederlage von 1945 wie die Oder-Neiße-Grenze nicht anerkannten und sich dem ABN anschlossen, die Hoffnung, den nächsten Weltkrieg zu gewinnen – diesmal an der Seite der USA. Im Frühling 1964 klagte Jaroslaw Stezko in einem Interview mit der Saarländischen Stimme der Freiheit ein angebliches militärisches Zögern des Westens an, weil dieser noch keine Invasion südvietnamesischer Truppen in den Norden gegen die Vietminh veranlasst habe. Und er betonte – wie auch die APACL, die regelmäßig mit Resolutionen die Berliner Mauer verdammte –, dass der Kontinente übergreifende »revolutionäre Freiheitskampf« gegen den Kommunismus auch in der »sowjetisch besetzten Zone Deutschlands« als »versklavten Nation« geführt werden müsse, um das »russische Kolonialimperium« von innen heraus zu zerstören.

Solche Perspektiven beflügelten Altnazis, in der rechten »Vietnam-Solidarität« aktiv zu werden: 1968 fand sich mit Alfred Gielen ein ehemaliger Mitarbeiter des Reichspropagandaministeriums (in den 1950er Jahren hatte er in der BRD für den Bundesnachrichtendienst und den US-Militärgeheimdienst CIC Antifaschisten ausgespäht) unter den Delegierten der zweiten WALC-Konferenz in Saigon, die vom südvietnamesischen Präsidenten Nguyen Van Thieu eröffnet wurde. Vorher hatte dort schon mit Adenauers Botschafter York Alexander von Wendland ein Ex-NSDAP-Mitglied an APACL-Kongressen teilgenommen. Andere Karrieristen Hitlerdeutschlands – beispielsweise Felix von Bormann, ein im Dienst der deutschen Wehrmacht an Menschenversuchen beteiligter Hygienemediziner – würdigten die Diktatoren Südvietnams, wie auch das Apartheidregime in Südafrika und die griechische Militärjunta für ihr hartes Durchgreifen gegen die »fünfte Kolonne des Bolschewismus«.

Der eifrigste Vietnamkriegsunterstützer unter den alten Nazis war der ehemalige CDU-Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer. Dieser hatte schon als Offizier des sich vorwiegend aus ukrainischen Faschisten rekrutierenden Wehrmachtbataillons »Nachtigall« mit der OUN-B kooperiert. Beim »Versklavten Völker«-Treffen des ABN 1965 in New York erinnerte Oberländer an die Berliner Luftbrücke und begrüßte, dass die USA »dasselbe in ihren gegenwärtigen Bemühungen unternehmen, um Vietnam zu retten«. Später traf er als Vorstandsmitglied des 1967 in München gebildeten European Freedom Council (EFC), laut der CIA ein Ableger des ABN, auf großen Konferenzen mit Vertretern des südvietnamesischen Regimes zusammen, beispielsweise 1970 in Brüssel, wo er einen Vortrag über den »kommunistischen Ansturm und die Dritte Welt« hielt. Zwei Jahre später, als nach erfolgreichen Geheimgesprächen Henry Kissingers mit den Nordvietnamesen der Waffenstillstand »drohte«, dem Nguyen Van Thieu nicht zustimmte, sendete Oberländer diesem – unter anderem mit Jaroslaw Stezko, der ebenfalls dem EFC-Präsidium angehörte – eine Durchhaltebotschaft für die mittlerweile aussichtslose Mission: »Wir gratulieren Ihnen zu Ihrer entschiedenen Ablehnung der Errichtung des Kommunismus durch die politische Kapitulation, die defätistische Kreise des Westens von Ihnen fordern«, heißt es in dem Schreiben vom 4. November 1972, nachdem die USA bereits fast alle ihrer Truppen abgezogen hatten.

Susann Witt-Stahl ist Chefredakteurin von Melodie & Rhythmus und hat zum Thema den Sammelband »Der Bandera-Komplex« im Verlag 8. Mai herausgegeben

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