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Aus: kuba 2007, Beilage der jW vom 25.07.2007

Ein Modell nach Maß

Der Wandel hat schon begonnen: Kuba sucht neue Partner in der Welt. In Partei und Staat ­übernehmen Jüngere Verantwortung
Von Timo Berger
Unter kubanischer Flagge: Ein Arbeiter in einer staatlichen Bäck
Unter kubanischer Flagge: Ein Arbeiter in einer staatlichen Bäckerei in Havanna im Juli 2006

Ein ganz normaler Arbeitstag in einer staatlichen Brotfabrik in Havanna. Unter einer kubanischen Fahne trägt ein Arbeiter einen Stapel frischer Brotlaibe und lächelt in die Kamera. Das Bild scheint zu sagen: In Kuba herrscht Alltag – und das, obwohl niemand weiß, was die Zukunft bringen wird. Fast schon ein Jahr ist vergangen, seit Staatschef Fidel Castro, schwer erkrankt, am 31. Juli 2006 die Amtsgeschäfte seinem jüngeren Bruder Raúl überlassen hat – »vorübergehend« wie es damals hieß. Der Commandante en Jefe, der historische Anführer der »Bewegung des 26. Juli«* – die treibende Kraft beim Sturz des Diktators Fulgencio Batista – galt weithin als Garant für den Fortbestand der sozialistischen Revolution.

Fidels Gesundheitszustand hat sich verbessert: Auf den Bildern, die kubanische Medien verbreiten, sieht man, wie er wieder – wenn auch zunächst nur handverlesene – Staatsgäste empfängt. Die grüne Uniform hat er dennoch gegen einen bequemen Trainingsanzug eingetauscht. Und er meldet sich zu Wort. Manchmal mehrmals die Woche in mal beißenden, mal belehrenden Kolumnen in der Tageszeitung Granma. Die Frage, was nach Fidels Abtreten geschehen wird, wird immer weniger gestellt: Das politische Leben auf Kuba funktioniert auch ohne ihn. Óscar Martínez Cordobés, Vizechef der Abteilung für Internationale Beziehung des Zentralkomites der KP Kubas, erklärte Ende Juni in einem Gespräch mit jW: Die Transition habe schon vor Castros Erkrankung begonnen. Jüngere haben seit Jahren in Staat und Partei auf regionaler und nationaler Ebene Verantwortung übernommen, die altverdienten Kämpfer in den Ruhestand entlassen – ein biologischer Wechsel, der sich ganz sicher nicht mit den Umsturzplänen aus Miami und Washington deckt.

Seit Jahrzehnten muß sich die Insel gegen die politische und militärische Einmischung von außen wehren. 1960 errichteten die USA eine Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba – ein unilaterales Embargo, das durch das Toricelli- und das Helms-Burton-Gesetz 1992 und 1996 noch verschärft wurde. Aber nicht nur gegen die offene Aggression des mächtigen Nachbarn im Norden mußten die Kubaner in den vergangenen Jahrzehnten ihre staatliche Souveränität verteidigen; auch die europäische Diplomatie hat mehrmals – zuletzt 1996 mit dem »Gemeinsamen Standpunkt« und 2003 mit Sanktionen – versucht, durch politischen Druck auf Kuba ihre Version von Menschenrechten und Demokratie durchzusetzen. Wobei die EU durchaus mit gespaltener Zunge spricht. Während die Hardliner wie England, Deutschland, Schweden und die Niederlande sogar noch eine härtere Gangart anschlagen wollen, setzen Portugal, Italien und die ehemalige Kolonial­macht Spanien auf leise Töne, eine Art »Wandel durch Annäherung«.

Kuba hat sich in den vergangenen Jahren Partner im Süden gesucht. Die zusammen mit Venezuela 2005 gegründete alternative Wirtschaftsgemeinschaft ­ALBA hat durch die Beitritte von Bolivien und Nicaragua eine sinnvolle Erweiterung erfahren. Mittlerweile wird in der ALBA die wirtschaftliche Integration durch die Gründung von Kulturinstituten ergänzt – ein klarer Schritt gegen die kulturelle Hegemonie der ehemaligen kolonialen Metropolen. Auch wirtschaftlich haben die Europäer an Einfluß verloren – Rußland und China, einst wichtige Partner Kubas, haben dagegen Terrain gutgemacht. Wie es mit Kuba weitergeht, entscheidet die Rolle, die das Land in der Region übernimmt. Die linken Regierungen in Mittel- und Südamerika haben politische Bande mit der Insel geknüpft. Doch die regionale Integration steht immer noch am Anfang und ist vor Rückschlägen nicht gefeit.

Eins aber ist sicher: Kuba hält an den Idealen der Revolution fest – dem Internationalismus und dem Kampf für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen. Auch den Armen dieser Welt muß der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung ermöglicht werden. Es ist den Kubanern zu wünschen, daß man sie ihren Weg gehen läßt. Vorbilder für den Wandel können nicht die osteuropäischen Staaten noch – wie vielfach spekuliert wurde – China sein. Kuba wird sich sein eigenes Modell auf den Leib schneidern.



* Die »Bewegung des 26. Juli« war die von Fidel Castro geführte Guerillaorganisation. Der Name geht auf das Datum des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba am 26. Juli 1953 zurück. Zwar scheiterte die Operation – doch gilt der Tag bis heute als Ausgangspunkt für die am 1. Januar 1959 schließlich siegreiche kubanische Revolution. Der 26. Juli ist Nationalfeiertag in Kuba.

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