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Aus: Ausgabe vom 27.12.2025, Seite 3 / Kapital & Arbeit
Union Busting in Bayern

Wie haben Sie den Betriebsrat unterstützt?

Die Firma Stöger verschwendet Ressourcen für die Bekämpfung von Arbeitervertretern, kritisiert Karl Musiol
Interview: Jessica Reisner
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Komm in die Gewerkschaft, Genosse!

Im August 2025 machte die bayerische IG Metall Oberland Schlagzeilen. Sie haben damals dem gekündigten Betriebsratsvorsitzenden des Schraubmaschinenherstellers Stöger einen Wohnwagen vor das Firmengelände gestellt, damit er trotz Kündigung und Hausverbot seiner Arbeit nachgehen konnte. Wie ist der aktuelle Stand?

Per einstweiligem Rechtsschutz haben wir es geschafft, dass der Betriebsratsvorsitzende für seine Tätigkeit als Betriebsrat zurück in den Betrieb durfte. Allerdings erhielt er gleich nach der Einigung auf eine Mediation eine weitere Kündigung. Daneben laufen bis heute mehrere Gerichtsverfahren. Unter anderem zu einem Antrag auf Entfernung aus dem Betriebsrat, den auffällig viele Auszubildende und Führungskräfte unterschrieben haben. Auch eine Entgeltklage ist noch offen. Überall signalisieren uns die Richter: Wir sind im Recht.

Das wichtigste Verfahren haben wir jedoch gerade erst gewonnen. Das Arbeitsgericht München fegte einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung des Betriebsrats in Kombination mit einem Antrag des Unternehmens auf die Entfernung des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat vom Tisch. Der gekündigte Betriebsratsvorsitzende darf nun auch wieder seine Arbeit als Ingenieur aufnehmen. Das heißt: Von nun an bekommt er wieder Gehalt. Das Unternehmen könnte aber auch noch Rechtsmittel einlegen.

Wie haben Sie den Betriebsrat in der kritischsten Phase unterstützt?

Wir haben die juristische Begleitung organisiert und eine Kundgebung vor dem Firmengelände veranstaltet. Dutzende IG-Metall-Betriebsräte aus der Region zeigten sich hier neben Mitgliedern des bayerischen Landtags wie Eva Lettenbauer von den Grünen und Florian von Brunn, SPD, solidarisch. Genauso wie Vertreterinnen des DGB und anderer Gewerkschaften. Wir waren im Bayerischen Landtag und haben zum Vorgehen Stögers berichtet, damit der Fall im Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert wird.

Und besonders wichtig: Der Betriebsratsvorsitzende hat über viele, viele Wochen keinen Cent Gehalt bekommen. In dieser Zeit ist die IG Metall finanziell eingesprungen und hat Gemaßregeltenunterstützung gezahlt. Diese Zahlung ist an Mitglieder möglich, wenn Unternehmen ihnen wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements Lohn vorenthalten. Wenigstens um seine Existenz sollte sich der Kollege nicht sorgen. Er hatte genug um die Ohren.

Der Betriebsratsvorsitzende arbeitet seit zwölf Jahren bei Stöger und gehörte 2023 zu den Betriebsratsgründern. Was vermuten Sie als Grund für das aggressive Vorgehen?

Stöger ist schon länger in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Ein Personalabbau ist ohne Betriebsrat oder mit einem bequemen Betriebsrat leichter und günstiger zu organisieren als mit starken Interessenvertretern, die die IG Metall hinter sich haben.

Welches Verfahren ist noch offen?

Unter anderem eine unerledigte Entgeltklage. Wir wollen uns das Gehalt zurückholen, das dem Kollegen über viele Wochen nicht gezahlt wurde.

Wie sind Sie unter diesen Umständen für die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 aufgestellt?

Wir haben die wichtigsten Gerichtsverfahren bereits gewonnen. Der Betriebsratsvorsitzende ist nicht mehr isoliert. Wir gehen mit einer starken IG-Metall-Liste ins Rennen. Wer die Situation in den letzten Monaten beobachtet hat, weiß genau: Ein Betriebsrat, der so hart bekämpft wird, der steht für aufrichtige Interessenvertretung.

Welche Verbesserungen wünscht sich die Stöger-Belegschaft?

Im Januar wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Anstatt Schraubautomaten zu verkaufen, hat die Geschäftsführung ihre Ressourcen, Zeit wie Geld, in die Bekämpfung des Betriebsrats gesteckt. Das ist – so meine Vermutung – auch ein Grund dafür, warum das Unternehmen jetzt insolvent ist. Die Belegschaft will, dass wir in dieser Phase alles daran setzen, ihre Arbeitsplätze zu retten. IG Metall und Betriebsrat haben bereits wissenschaftliche Berater des Transformationsprojekts »Transform.by« ins Unternehmen geschickt. Gemeinsam mit ihnen arbeiten wir an einer Zukunft für die Arbeitsplätze bei Stöger.

Karl Musiol ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall Oberland

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