Wie lässt sich so ein Konflikt verhindern?
Interview: Marc Bebenroth
Die bisherige Spitze des DFG–VK-Landesverbands Berlin-Brandenburg ist im August abgesetzt und schließlich durch eine neue abgelöst worden. Wie konnte es soweit kommen?
Das ist ein sehr bedauerlicher Fall. Im Kern ging es dabei um unsere Positionierung im Israel-Palästina-Konflikt. Als pazifistischer Verband haben wir stets darauf geachtet, sowohl die Hamas und andere islamistische Milizen als auch die israelische Regierung und ihr Militär zu verurteilen. Unsere Solidarität gilt allen Opfern der Gewalt – und wir setzen uns für Kriegsdienstverweigerer*innen und Deserteur*innen aus der Region ein. Wir waren zunächst zurückhaltend, da Proteste uns oft zu einseitig waren. Erst im Oktober 2024 haben wir als Bundesverband dann eine auch von Amnesty International getragene Protestkundgebung in Berlin unter dem Motto »Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel« unterstützt.
Das führte zu Kritik des damaligen Landesvorstands Berlin-Brandenburg. Als es im Dezember eine weitere »Gerechter Frieden«-Kundgebung gab, die wir unterstützten, rief der zu einer Gegenkundgebung auf. Außerdem wurde Bündnispartner*innen von uns Antisemitismus vorgeworfen. Dies führte zum Ausschluss von drei Mitgliedern, die dem Landesvorstand angehörten. Unser Bundesausschuss hat dies bestätigt. Zwei der Betroffenen klagen aktuell dagegen. Um dennoch wieder einen arbeitsfähigen Landesverband zu haben, hat der Bundesverband dann am 9. Dezember zu einer Landesmitgliederversammlung im Anti-Kriegs-Museum in Berlin eingeladen – ein Neustart.
Danach stellte sich die ehemalige Spitze in einer Mitteilung als eine Art heldenhafte Widerstandstruppe gegen die »Putschisten« des Bundesverbandes dar.
Die drei ausgeschlossenen Mitglieder erschienen zu der Versammlung. Es wurde sehr kontrovers diskutiert, ob und wie lange diese teilnehmen und noch einen Rechenschaftsbericht abgeben dürfen. Einige der rund dreißig Menschen im Raum gingen leider enttäuscht vor Ende der vierstündigen Versammlung, da sie lieber über unsere Kriegsdienstverweigerungsarbeit sprechen wollten. Dennoch konnte – erst mal für ein Jahr – ein neuer Landesvorstand gewählt werden, bei dem ich große Hoffnung habe, dass er die Antikriegsarbeit in Berlin und Brandenburg, die gerade jetzt so wichtig ist, vorantreibt. Das ist es auch, was ich mir für die Zukunft wünschen würde: Deeskalation im Miteinander.
Mit der Mitteilung vom 12. Dezember, die an viele unserer Gliederungen ging und auch öffentlich verbreitet wurde, hat der neue Landesvorstand nichts zu tun. Kritik an Positionen unseres Verbands und auch unserer Bündnispartner*innen sollte solidarisch und erst mal intern geäußert werden. Der Umgang des alten Landesvorstands mit anderen Friedensbewegten war wie mit politischen Gegner*innen.
Ist durch die neue Spitze sichergestellt, dass der Landesverband nicht mehr gegen die Friedensbewegung agiert?
Der alte Landesvorstand hat durchaus gute Aktionen gegen die Bundeswehr gemacht: etwa gegen den sogenannten Veteranentag oder gegen das »Sondervermögen«. Als neue Aktionsform haben sie »Adbusting«, also die satirische Umgestaltung von Armeewerbung, in den Verband getragen, was sehr gut ankommt. An anderer Stelle sind sie aber über die Stränge geschlagen und haben Mitstreiter*innen diffamiert. Dem neuen Landesvorstand wurde bei der Mitgliederversammlung aufgetragen, eine Klausurtagung zu organisieren, um den alten Konflikt zu behandeln und hoffentlich eine Annäherung zwischen allen Mitgliedern des Landesverbands zu schaffen. Gerade sind wir in Sachen »neuer Wehrdienst« und »Kriegsdienstverweigerung« sehr gefragt – da ziehen wir alle an einem Strang. Lieber zerbrochene Gewehre als zerbrochenes Geschirr.
Wie lässt sich verhindern, dass sich so etwas wiederholt?
Je mehr Mitglieder aktiv sind und sich auch verbandsintern engagieren, desto besser. Wir sind ein pluralistischer Verband. Es ist gut, wenn sich dies auch in Vorständen ausdrückt und die wiederum auch mit den anderen Gliederungen unseres Verbands gut zusammenarbeiten. Daneben arbeiten wir am Umgang miteinander: Trotz der Differenzen, die es manchmal gibt, sind wir alle freiwillig dabei und haben die Grundsatzerklärung, uns gegen jeden Krieg einzusetzen, unterschrieben. Daran sollten wir uns häufiger erinnern. Ich sehe uns da aber auf einem guten Weg – auch in Berlin-Brandenburg.
Michael Schulze von Glaßer ist politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
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