Friedenspanik in Berlin
Von Arnold Schölzel
Am Donnerstag war Kriegspropagandastunde in Berlin: NATO-Generalsekretär Mark Rutte rief in einer sogenannten Grundsatzrede die Mitgliedstaaten des Rumpfpaktes (ohne USA) zu verstärkten militärischen Anstrengungen auf, um einen von Russland geführten Angriff zu verhindern. Ein Krieg mit Russland könne »von einem Ausmaß sein, wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben«, erklärte der Niederländer auf einer Veranstaltung der »Münchner Sicherheitskonferenz«. Zu viele NATO-Staaten spürten nicht die Dringlichkeit der Bedrohung in Europa. Sie müssten die Verteidigungsausgaben und die Produktion rasch erhöhen, um einen Krieg dieses Ausmaßes zu verhindern. Rutte wörtlich: »Wir sind Russlands nächstes Ziel.« Es könne innerhalb von fünf Jahren bereit sein, militärische Gewalt gegen die NATO anzuwenden. »Der Konflikt steht vor unserer Tür. Russland hat den Krieg nach Europa zurückgebracht. Und wir müssen vorbereitet sein.«
Auf derselben Veranstaltung forderte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) von den europäischen Partnern mehr Hilfe für Kiew. Deutschland sei in diesem Jahr zum größten Unterstützer der Ukraine geworden, mehr Verbündete in Europa müssten dringend nachlegen. Am Freitag tat er letzteres und bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ins Auswärtige Amt, weil Russland Deutschland mit Sabotage und Cyberattacken angreife. Unter Berufung auf Geheimdienste wurden zwei Vorfälle angeführt: Zum einen ein Cyberangriff gegen die Deutsche Flugsicherung (DFS) im August 2024. Er könne der russischen Hackergruppe »Fancy Bear« zugeordnet werden. Ein Sprecher sagte: »Unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse belegen, dass der russische Militärgeheimdienst GRU die Verantwortung für diesen Angriff trägt.« Die DFS hatte nach dem Angriff auf Nachfrage mitgeteilt, ihre »Bürokommunikation« sei gehackt worden, aber der Flugverkehr sei nicht betroffen. Das Auswärtige Amt teilte außerdem mit, man könne nun verbindlich sagen, dass Russland mit der Kampagne »Storm 1516« versucht habe, »sowohl die letzte Bundestagswahl als auch fortlaufend die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen und zu destabilisieren«.
Handfester als die Berufung auf Geheimdienste waren auch am Freitag die Versuche der EU, russisches Staatsvermögen zu stehlen. Sie stießen allerdings auf Hindernisse. Die russische Zentralbank verklagte den belgischen Finanzdienstleister »Euroclear«, bei dem ein Großteil der in der EU beschlagnahmten Anleihen liegt, vor einem Moskauer Gericht. Durch »Euroclears« Vorgehen sei ein Schaden entstanden, da die Zentralbank nicht über Gelder und Wertpapiere verfügen könne, die ihr gehörten. Auch aus der EU kam Kritik. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnet die am Freitag im Umlaufverfahren statt auf einem EU-Gipfel getroffene EU-Entscheidung, die Mittel auf unbestimmte Zeit festzusetzen, als »rechtswidrig«. Die Herrschaft des Rechts in der EU sei damit beendet.
Unterdessen bereiten sich Westeuropäer und die USA auf Gespräche mit Kiew am Wochenende vor. US-Präsident Donald Trump sagte jedoch am Donnerstag vor Reportern in Washington: »Wir werden am Sonnabend an dem Treffen in Europa teilnehmen, wenn wir denken, dass es eine gute Chance gibt. Wir wollen keine Zeit verschwenden, wenn wir es für negativ halten.« Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij reist einem Medienbericht zufolge am Montag zu einem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz nach Berlin. Geplant seien auch Gespräche im sogenannten E3-Format mit Deutschland, Großbritannien und Frankreich.
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