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Aus: Ausgabe vom 05.12.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Stadler gegen Siemens

Stadler auf dem Abstellgleis

Schweizer Schienenfahrzeugbauer fühlt sich bei staatlicher Auftragsvergabe an Siemens hintergangen
Von Dominic Iten, Zürich
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Niederflurtriebzüge der Matterhorn-Gotthard-Bahn

Peter Spuhler, Chef des Schienenfahrzeugbauers Stadler Rail, hat seine Drohung wahr gemacht: Nachdem sich die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) beim Kauf von 116 Doppelstockzügen gegen Stadler Rail und für den deutschen Hersteller Siemens entschieden hatten, legte er – wie angedroht – Einspruch gegen den Entscheid der staatlichen Eisenbahngesellschaft ein.

Spuhler – bis vor wenigen Tagen noch in den Schlagzeilen, weil er meinte, die Schweiz bei Einführung einer Erbschaftssteuer verlassen zu müssen – klagt also schon wieder. Dabei ist Stadler Rail bei Bundesaufträgen keineswegs außen vor. 14 Milliarden Schweizer Franken haben die SBB in den vergangenen 25 Jahren in neues Rollmaterial investiert, 72 Prozent davon gingen an Stadler Rail. Doch bei der jüngsten Ausschreibung entschieden sich die SBB für Siemens – obwohl sein Angebot nur 0,6 Prozent teurer gewesen sei, meint Spuhler.

Die SBB widersprechen: Die 0,6 Prozent würden sich »nur auf die Investitionskosten« beziehen. Das Angebot von Siemens habe jedoch »auch beim Betriebsaufwand am besten abgeschnitten«. So summiere sich der Preisunterschied über die Laufzeit von 25 Jahren »auf einen dreistelligen Millionenbetrag«. Weiter betonen die SBB, sie müssten den Auftrag »zwingend an das Unternehmen mit dem vorteilhaftesten Angebot erteilen«, das Beschaffungsgesetz erlaube keine Bevorzugung inländischer Unternehmen.

Gemäß am Mittwoch publizierter Umfrage hätte sich vor allem die ländliche, SVP-nahe Schweiz diese Bevorzugung gewünscht. Hier dominiert das Gefühl, dass ein »nationaler Champion« wie Stadler Rail selbstverständlich Vorrang haben müsse: Es ertönt der Ruf nach Protektionismus im Namen des Schutzes von heimischer Industrie und »Schweizer Arbeitsplätzen«.

Siemens versucht gegenzusteuern. Man beschäftigte in der Schweiz »knapp 6.000 Mitarbeitende an 20 Standorten« und habe »allein im letzten Geschäftsjahr Produkte und Dienstleistungen im Wert von mehr als 550 Millionen Franken bei über 1.900 Schweizer Unternehmen« bezogen. Weiter würden in Wallisellen (Kanton Zürich) 110 Millionen Schweizer Franken in den Bau eines Campus investiert, der bis 2029 »Büro-, Entwicklungs- und Produktionsstätten für rund 1.000 Mitarbeitende« biete.

Deutlich gelassener hat derweil die liberale Schweiz reagiert, die den Entscheid als Ausdruck internationalen Wettbewerbs verbucht: Wer staatliche Aufträge will, muss sich im Ausschreibungsverfahren durchsetzen. »Statt Stadler kommt jetzt halt Siemens zum Zug«, schreibt die Bilanz lakonisch. Spuhler, »der Gewinnertyp«, solle sich nun mit dem für ihn typischen Engagement einfach um den nächsten Auftrag kümmern, so die Handelszeitung.

Dabei verteidigen die liberalen Kommentatoren nicht etwa den Staat gegen das Kapital, sondern die kapitalistische Ordnung gegen einen allzu fordernden Einzelunternehmer. Sie pochen auf die gültigen Rahmenbedingungen – offene Ausschreibungen, Wettbewerb, Rechtsgleichheit –, während Spuhler versucht, genau diese Ordnung zu seinen Gunsten zu biegen. Sie vertreten die allgemeinen Interessen des Kapitals, das verlässliche Regeln braucht; er verteidigt die spezifischen Interessen seines Konzerns, der den Auftrag trotzdem haben will.

Spuhler wird zum anschaulichen Beispiel für das instrumentelle Verhältnis des Einzelunternehmers zum Staat: Wenn Steuern erhoben werden, ziehe ich weg, wenn staatliche Betriebe mir keine Aufträge erteilen, ziehe ich vor Gericht. Als Siemens 2003 einen Auftrag für die Zürcher S-Bahn erhielt, verpflichtete sich das Unternehmen – damals ohne eigenes Schweizer Zugwerk –, 45 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz zu erbringen. Dazu holte Siemens Stadler Rail als Subunternehmer ins Boot; der Siemens-Auftrag wurde zu einem wichtigen Baustein auf dem Weg zur heutigen Größe der Stadler Rail. Das Kapital akzeptiert den Wettbewerb im allgemeinen oder solange er profitable Aufträge bringt – und versucht, ihn politisch zu korrigieren, sobald er die eigenen Profite schmälert. Anschaulicher lässt sich kaum zeigen, wie asymmetrisch das Verhältnis von Kapital und Staat gedacht ist.

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