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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 7 / Ausland
Großbritannien

Hoffnung für Linke

Großbritannien: Von Ex-Labour-Chef Corbyn angekündigte neue Partei erhält aus dem Stand viel Zuspruch
Von Dieter Reinisch
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Von Labour bekämpft und ausgebootet, präsentieren Sultana und Corbyn eine neue Alternative (London, 18.8.2022)

Das Interesse an Jeremy Corbyns neuem Parteiprojekt scheint groß zu sein. Das überrascht wenig, denn die Umfragewerte der britischen Labour-Regierung sind im Keller. Innerhalb von drei Tagen soll mehr als eine halbe Million Menschen ihr Interesse dokumentiert haben, der neuen Kraft beitreten zu wollen. Der ehemalige Labour-Chef Corbyn ist begeistert: »Unsere Bewegung wächst und wächst. Wir haben gesagt, dass echte Veränderungen bevorstehen – und das haben wir auch so gemeint«, schrieb er am Sonntag auf X. Einen Namen hat die Neugründung noch keinen. Derzeit läuft eine Kampagne unter dem Hashtag »Your Party«, »Deine Partei«. In den Medien und unter Aktivisten wird spekuliert – oft wird »Demokratische Linke« als möglicher Name genannt. Neben Corbyn ist die Abgeordnete Zarah Sultana das Zugpferd der neuen Partei. Sie war seit einem Jahr von Labour suspendiert und trat Anfang Juli aus der Partei aus. Unter den Gewerkschaften genißet sie hohes Ansehen, da sie als eine von wenigen Labour-Abgeordneten die Arbeitskämpfe der vergangenen Jahre aktiv unterstützt hat.

Beide Abgeordnete hatten am Donnerstag in den sozialen Netzwerken die sich schon zuvor andeutende Neugründung bestätigt: »Es ist Zeit für eine neue Art von politischer Partei. Eine, die euch gehört«, war der Titel der Erklärung. Das System laufe falsch, schrieben sie, »wenn 4,5 Millionen Kinder im sechstreichsten Land der Welt in Armut leben und Großkonzerne mit steigenden Rechnungen ein Vermögen machen«. Laut Regierung gebe es »kein Geld für die Armen«, aber zugleich habe sie »Milliarden für den Krieg«. Und weiter: »Wir werden die Krisen unserer Gesellschaft nur durch eine massive Umverteilung von Reichtum und Macht lösen. Das bedeutet, die Reichsten zu besteuern.« Die neue Partei werde Privatisierungen verhindern und Energie, Wasser, Bahn und Post wieder in öffentliches Eigentum überführen. Gleichzeitig soll in ein »gewaltiges Sozialwohnungsbauprogramm« investiert werden.

Während die kommende Linkspartei großes Interesse weckt, steckt Labour weiterhin in der Krise. Derzeit streiken die englischen Ärzte gegen die Regierung. In Umfragen liegt Labour mittlerweile hinter dem Rechtsausleger Reform UK. In Befragungen von Anfang Juli nach der ersten Ankündigung von Sultana, eine neue Partei gründen zu wollen, gaben bis zu 15 Prozent an, sich vorstellen zu können, für diese zu stimmen. In einer am Montag veröffentlichten Ipsos-Umfrage ist die Hälfte der Wähler der Auffassung, dass die Regierung ihre Aufgaben nicht gut umsetze. Nur jeder fünfte war anderer Meinung. Die Mehrheit der Befragten glaubt zudem nicht, dass das Regierungsprogramm bis zur nächsten Wahl erfüllt werden kann.

Von vielen europäischen Politikern links der Sozialdemokratie werden die Entwicklungen um die Corbyn-Partei genau verfolgt. Der französische Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon gratulierte am Wochenende auf X: »Die erste Voraussetzung für den Erfolg ist erfüllt: der Bruch mit Labour, seinen Lügen, seinem Neoliberalismus und seiner verderblichen Verbindung zu Tony Blair.« Welche weiteren Abgeordneten sich anschließen werden, ist noch unklar, doch es werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die vier propalästinensischen Abgeordneten sein, mit denen Sultana und Corbyn bereits jetzt die »Independent Alliance« bilden, also ein »unabhängiges Bündnis« im Parlament.

Palästina spielt auch in der Gründungserklärung eine zentrale Rolle: Die Regierung habe eine »schändliche Mitschuld am Völkermord«. Waffenlieferungen an Israel sollen gestoppt werden, die Anerkennung des Staates Palästina wird gefordert. Am Freitag forderten 221 Abgeordnete, ein Drittel der Parlamentarier, aus neun Parteien und einige Kabinettsminister Keir Starmers die Anerkennung Palästinas. Auch das Recht, für die Palästinenser zu demonstrieren, wird in Corbyns Erklärung verteidigt. Das ist aktueller denn je, denn Anfang des Monats hatte die britische Regierung die Gruppe Palestine Action verboten. Bei Protesten dagegen wurden mehr als 200 Personen verhaftet. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, bezeichnete das Verdikt als »Bruch des internationalen Rechts«.Siehe Seite 8

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