Kriminelle Träumer
Von Karin Leukefeld, Beirut
Seit Mitte Juni hatte der US-amerikanisch-israelische Krieg gegen Iran den anhaltenden israelischen Genozid an der Bevölkerung im Gazastreifen weitgehend aus den westlichen und deutschen Mainstreammedien verbannt. Nun entdeckt der israelische Ministerpräsident und oberste Kriegsherr Benjamin Netanjahu wieder die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza. Unterstützt wird er von US-Präsident Donald Trump, der auf seinem Medienkanal Truth Social fordert: »Mach den Deal in Gaza, hol die Geiseln zurück!« Tatsächlich geht es Netanjahu und Trump aber um eine andere Vereinbarung. In Tel Aviv sind in den vergangenen Tagen große Plakatwände aufgetaucht, die für die »Abraham-Allianz« werben. Zu sehen ist Donald Trump in der Mitte, der von Netanjahu und dem saudischen Machthaber Mohammed bin Salman flankiert wird. Um dieses »Trio infernale« gruppieren sich Staatsoberhäupter aus Jordanien, Libanon, Ägypten, Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten und mehr.
»Koalition für regionale Sicherheit« steht auf dem Plakat. Auch wenn die personelle Zusammensetzung eher dem Wunschzettel von Netanjahu entspricht, macht die Darstellung deutlich, dass es Netanjahu und Trump um die »Normalisierung« der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Nachbarstaaten geht. Israels Justiz soll dafür alle strafrechtlichen Ermittlungen gegen Netanjahu einstellen, fordert US-Präsident Trump, der von einer »politischen Hexenjagd« gegen »Bibi« spricht. »Lasst Bibi laufen, er hat viel zu tun«, so Trump. »Wir werden das nicht zulassen, sie schaden unserem Sieg.« Am Mittwoch hatten Hamas-Vertreter erklärt, sie seien zur Freilassung der noch lebenden Geiseln und einer Übergabe der Toten bereit, wenn Israel die Angriffe sofort einstelle und humanitäre Hilfe für Gaza zulasse. Dem Ende der Kämpfe müssten ein dauerhafter Waffenstillstand und der vollständige Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen folgen. Israel lehnt das ab.
Die Kämpfe zwischen Hamas und israelischer Armee im Gazastreifen gingen derweil weiter. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, veröffentlichten am Mittwoch Videoaufnahmen von einem Hinterhalt bei Khan Junis, in dem sieben israelische Soldaten getötet und 17 verletzt wurden. Israels Armee reagierte mit Bombenteppichen auf Gaza-Stadt und andere Teile des weitgehend zerstörten Küstenstreifens. Wohnhäuser, Kliniken, Zelte wurden zerstört, die Zahl der Toten, die täglich aus Gaza gemeldet werden, wird von lokalen Behörden mit 50, 60, 70 und darüber beziffert. Dutzende Menschen werden zudem bei den Verteilzentren der US-amerikanisch-israelischen »Humanitären Gazastiftung« getötet, wo israelische Soldaten wahllos auf die Hilfesuchenden schießen. Auch die von Israel ausgerüstete kriminelle Abu-Schabab-Miliz greift die palästinensische Bevölkerung an.
Die israelischen Aggressionen sind auch im Libanon nicht beendet, wo täglich Menschen von Killerdrohnen getötet werden. Am Freitag warfen israelische Kampfjets südöstlich von Nabatija vermutlich Vakuumbomben auf vermeintliche Hisbollah-Stellungen ab. Bei einem gleichzeitigen Drohnenangriff auf ein Wohngebäude in Kfar Tebnin wurde eine Frau getötet, elf weitere Personen wurden verletzt. Die langjährige Sprecherin für internationale Beziehungen der KP Libanon, Marie Nassif-Dibs, erklärte im Gespräch mit jW, Israel halte fünf Hügel im Süden des Landes besetzt und verletzte die territoriale Integrität des Libanon. »Normalisierung« komme angesichts der ständigen Angriffe nicht in Frage. Das von Trump und Netanjahu jetzt angestrebte Projekt eines »neuen Nahen Ostens« sei bekannt seit 1993, so Dibs. Der damalige israelische Premierminister Schimon Peres habe die Region seinerzeit in drei Kategorien unterteilt: »diejenigen, die bezahlen, diejenigen, die arbeiten, und die Zionisten als federführendes Superhirn«. Die libanesische Regierung sei der Verfassung und dem Schutz des Landes verpflichtet, so Dibs. Mit einem feindlichen Staat, der libanesisches Territorium besetzt halte und die Bevölkerung töte, könne es keine »normalen Beziehungen« geben.
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