Rückhalt für Netanjahu
Von Knut Mellenthin
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt unterstützt das Ziel Israels, die iranische Atomindustrie zu zerstören, als »nachvollziehbar und richtig«. Diese sei nicht nur »eine reale Bedrohung für das Existenzrecht Israels«, sondern »auch eine Bedrohung für weit darüber hinaus«, einschließlich Europas. Der CSU-Politiker hat Israel und dessen vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen in Gaza per Haftbefehl gesuchten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Sonnabend als erster internationaler Staatsgast nach den Angriffen auf den Iran besucht. Dobrindt forderte für die BRD ein Abwehrsystem nach dem Vorbild des israelischen Iron Dome. Dafür plädierte auch CSU-Chef Markus Söder in der Bild am Sonntag. »Dazu sollten wir mit der Ukraine und Israel kooperieren und deren Erfahrungen nutzen.«
Israel hatte am 13. Juni überfallartig eine Militäroperation gegen das iranische Nuklearprogramm begonnen, mit der schon seit Monaten gerechnet worden war. Am 22. Juni schloss sich die US-Armee mit dem Einsatz superschwerer Bomben gegen die unterirdischen, stark befestigten Anreicherungsanlagen an. Seit Dienstag vergangener Woche wird eine Waffenruhe weitgehend eingehalten. In Teheran haben am Sonnabend Zehntausende an den Begräbnisfeiern für 60 Armeeführer, Nuklearwissenschaftler und Zivilisten teilgenommen, die durch die israelischen Militäroperationen getötet wurden. Öffentlich zeigten sich Präsident Massud Peseschkian und Außenminister Abbas Araghtschi, aber nicht »Revolutionsführer« Ali Khamenei, dessen Tötung Israel zu einem Hauptziel erklärt hatte.
Bei einem israelischen Angriff auf das Evin-Gefängnis in Teheran seien am 23. Juni mindestens 71 Menschen getötet worden, teilte am Sonntag ein Justizsprecher mit. Darunter seien Gefangene, Besucher, Personal und Soldaten. Ungewiss bleiben vorläufig die Ergebnisse der israelischen und US-Angriffe auf die Nuklearanlagen. Medien wie die New York Times hatten in der vergangenen Woche unter Berufung auf einen Geheimbericht des Pentagons gemeldet, das Atomprogramm Irans sei nur um wenige Monate zurückgeworfen worden. Dagegen gibt Donald Trump sich überzeugt, dass die stark befestigten Einrichtungen »ausradiert« seien. Der Präsident verband das mit heftiger Medienschelte.
Israelische Experten gehen davon aus, dass die Schäden an den Hauptzielen Fordo, Natanz und Isfahan unterschiedlich sind und Natanz am schwersten betroffen ist. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hält es in einem Interview mit dem US-Sender CBS vom Sonntag für wahrscheinlich, dass Iran »in ein paar Monaten« erneut mit der Anreicherung von Uran beginnen könnte. Die iranische Regierung will die Mitte April begonnenen indirekten Gespräche mit den USA zunächst nicht fortsetzen, aber signalisiert Bereitschaft, diese Option offenzuhalten. »Wenn Präsident Trump es mit seinem Wunsch nach einem Abkommen ernst meint, sollte er seinen respektlosen und inakzeptablen Ton« gegen Khamenei ablegen, postete Außenminister Araghtschi am Sonnabend auf X. Irans UN-Botschafter Amir Saeid Iravani wurde am Donnerstag von dem in Washington ansässigen arabischen Nachrichtenportal Al-Monitor zitiert, Teheran wäre unter bestimmten Umständen bereit, seine Vorräte an 20- und 60prozentig angereichertem Uran in ein anderes Land – wahrscheinlich Russland – zu bringen oder sie unter Kontrolle der IAEA zu stellen.
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