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Aus: Ausgabe vom 28.06.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kino

Das grüne Licht

Brauchbare Verschwendung der Jugend: Punk und andere nostalgische Momente im Spielfilm »Freaky Tales«
Von Norman Philippen
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Freut sich auf den Ruhestand: Pedro Pascal als Clint

Es war einmal in Oakland im Mai 1987. Nach spaßigem Kinokonsum von Joel Schumachers Horrorkomödie »The Lost Boys« (1987) will Lucid (Jack Champion) noch in die – heute inzwischen legendäre – Gilman Street 927 und Tina (Ji-young Yoo) zu seiner Freude mit. Die Freude aber ist kurz, nicht weil der Sound der im Gilman Street Club spielenden Skapunkpioniere Operation Ivy (1987–1989) so unauthentisch glatt klingt, sondern wegen der Nazitruppe, die zwecks Instrumentenzerdepperung und Kieferkicken einfällt und auch Lucid aufs Maul gibt. Da müssen Oaklands Punx sich entscheiden: Ducken und Verstecken oder Kämpfen ums Verrecken. Sie entscheiden sich: »Wir lassen uns nicht von Nazis regieren – wir kämpfen zurück!« / »Unsere Gemeinschaft ist unsere Stärke. Zusammen sind wir unbesiegbar.« Für den Spaß der Zuschauer die richtige Wahl. So kommt es zu großem Glatzenplatzen und fontänenartigem Blutgespritze à la Zack Snyders Comicverfilmung »300«, allerdings in brummender B-Movie-Ästhetik. Zu dieser passt auch das mit krassen Killerspikes bewehrte, zum Blutenlassen der Boneheads prima geeignete Armband, das Lucid Tina vor dem großen Clash geschenkt hatte – und mehr noch das unerklärliche grüne Licht, das das Armband im Kampf zum Leuchten bringt und allen auf der richtigen Seite Kämpfenden übernatürliche Kräfte zu verleihen scheint. Davon bleibt dann noch Kraft genug übrig für ein Black-Flag-Konzert direkt im Anschluss.

Dieses Licht, so erfahren wir zu Anfang aus dem Off, war in jenen Tagen häufig in und über Oakland zu sehen. Es erleuchtet auch die Battlerapperformance von Barbie und Entice, die als Rapduo Danger Zone dem – noch heute aktiven – Rapper Too Short seine misogynen Flausen um die Ohren hauen und die Show stehlen. Zuvor kamen sie aus derselben Kinovorstellung wie das Punkpärchen Lucid und Tina. Und da die Nazis, von denen sie dort rassistisch beleidigt werden, einen der Pick-ups fahren, die zum Punxprügeln auf den Parkplatz der Gilman Street 927 gebrettert sind, und Tina und Lucid sowieso auch vor Ort, wäre die Behauptung, in diesem Episodenfilm hinge nicht episodenübergreifend so einiges zusammen, keine richtige. Dass diese Verknüpfung nun besonders gewitzt gestaltet ist, muss allerdings auch niemand behaupten.

Nicht auszuschließen jedenfalls, dass der Perversling von Polizist, der Barbie und Entice während ihrer Arbeit in einer Eisdiele sexuell belästigt, am Ende noch was mit dem schmerzhaften Verlust von Clint (Pedro Pascal) zu tun hat. Oder gar mit den Nazis. Ob Clint, der ein »Enforcer« ist, also einer, der für die Mafia säumigen Schuldnern auf die Pelle rückt oder sonstigen Forderungen entsprechenden Nachdruck verleiht, nach seinem geplant letzten Job wohl endlich in Ruhe seine Tochter wird aufziehen können? Kann ihm das grüne Licht dabei helfen?

Das wäre ja fast so märchenhaft wie die Schwertkampfkünste von NBA-All-Star Eric Augustus »Sleepy« Floyd, der ein Rekordmatch mit den Golden State Warriors spielt, um später zu Hause feststellen zu müssen, dass … Nun, das, was im Kino jetzt in der letzten Episode von »Freaky Tales« gezeigt wird. Der so unbedingt unterhaltsamen blutigen Actionkomödie, die auch eine Ode ist. An Oakland, Punk und Rap, Horror auf VHS, stark blutende Nazis und sonstige Bastarde … kurzum, die Popkultur der späten 80er. Der Zeit, in der das Wünschen bereits nur noch bedingt geholfen hat gegen Rassismus, Misogynie oder psychopathische Polizisten.

Damals immerhin war es noch lange hin bis zum heutigen brutalen Backlash, der zeitigt, dass die Produktion von US-amerikanischen Filmen wie diesem im der Trumpregierung vorauseilenden Fast-Forward-Modus in näherer Zukunft nicht unbedingt wahrscheinlicher wird. Jedenfalls, was die größeren Studios mit den großen Budgets betrifft. Ein großes Budget hatte das (mittlerweile »Captain Marvel«-)Regieduo Anna Boden und Ryan Fleck für diesen hübsch lackierten Mittelfinger von Film allerdings auch nicht. Dafür aber einen fein anzusehenden All-Star-Cast in guten Settings und noch besseren Kostümen. Trotz der offensichtlichen Schwächen des Films ist hier sogar der Auftritt von Tom Hanks sehr unterhaltsam. So viel mehr kann man nicht erwarten von einer kleinen Fuckfingerübung zweier erfolgreicher Regisseure, die ihre Jugend einst auf brauchbare Weise verschwendet zu haben scheinen. Und was das grüne Licht angeht: Das nimmt man am besten einfach als nicht weiter erklärungsbedürftiges Signal. Dafür, dass es auch außerhalb des Kinos in Ordnung geht und vielleicht höchste Zeit ist, die Bastarde bluten zu lassen. Beziehungsweise den Backlash zu bashen.

»Freaky Tales«, Regie: Anna Boden, Ryan Fleck, USA/Kanada 2024, 107 Min., bereits angelaufen

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