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Aus: Ausgabe vom 28.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Unternehmensinsolvenzen

Gesundbeten hilft nicht

Folge der politisch befeuerten Krise: Firmenpleiten in BRD im ersten Halbjahr auf Zehnjahreshoch, und die Perspektiven sind düster
Von Klaus Fischer
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Stark vom Pleitesog betroffen ist auch der Handel (plus 13,8 Prozent): In einer Fußgängerzone in München

Wirtschaftsredakteure der Mainstreammedien haben es schwer, dem bundesdeutschen Publikum positive Nachrichten zu überbringen. Insbesondere wenn die Konjunktur stottert, die Politik unberechenbar bleibt und nicht zuletzt die Firmenpleiten auf einen neuen Höchststand sind: Im ersten Halbjahr 2025 erreichten letztere ein Zehnjahreshoch – und ein Abflauen der Insolvenzwelle ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil.

Nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform vom Donnerstag (jW berichtete) werden Ende Juni 11.900 Unternehmen Insolvenz angemeldet haben – 9,4 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2024. Doch selbst in solchen desaströsen Zahlen schlummern statistische Teilmengen, die als Hoffnungsbringer bemüht werden: Im ersten Halbjahr 2024 lag der Zuwachs an Pleiten prozentual sogar noch höher – nämlich bei 28,5 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023, vermeldete die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag

Doch nicht allein die Anzahl der Insolvenzen ist ein Gradmesser für eine kriselnde Wirtschaft, sondern auch das dabei vernichtete ökonomische Potential. Creditreform beziffert die Schäden durch Firmenpleiten im ersten Halbjahr 2025 auf 33,4 Milliarden Euro – nach 29,7 Milliarden Euro im Vorjahr. Und wegen zahlreicher Großinsolvenzen sei auch die Zahl der bedrohten Jobs nach oben geschnellt: 141.000 abhängig Beschäftigte sind betroffen (nach 133.000 im Vergleichszeitraum 2024).

Insofern haben sich die Rahmenbedingungen für eine konjunkturelle Erholung der BRD-Ökonomie – hier geht es immerhin um die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgewiesene Nummer drei der Welt laut nominalem Bruttoinlandsprodukt (BIP; Stand Oktober 2024 nach den USA und China) – nicht verbessert. Und Gesundbeten, wie das der politisch-mediale Komplex zunehmend versucht, hilft allenfalls, »das Volk, den großen Lümmel« (H. Heine) ruhig zu halten.

Die deutsche Wirtschaftsleistung wird voraussichtlich auch in diesem Jahr stagnieren bzw. schrumpfen – wie bereits 2023 und 2024. Auch die Energiekrise ist latent, was die Konkurrenzfähigkeit der Exportbranchen stark geschwächt hat. Hinzu kommen eskalierende weltpolitische Interessengegensätze, die sich in Kriegen, militärischen Attacken sowie einer aggressiven Zollpolitik insbesondere der USA und der EU manifestieren. Wenn die Profitaussichten schlechter werden, flieht das »scheue Reh« Kapital – Pleiten sind eine gesetzmäßige Konsequenz.

Die eingangs erwähnten Wirtschaftsberichterstatter tun sich auch weiterhin schwer, die Krisenursachen in ihrer Entstehungsgeschichte klar zu benennen. Statt dessen werden Erscheinungen bemüht – was betriebswirtschaftlich gesehen durchaus einen Sinn ergibt, das Handeln der maßgeblichen Akteure aus Großkapital und Politik auf nationaler und globaler Ebene allerdings ausblendet.

»Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, steigenden Kosten und anhaltender Unsicherheit«, zitierte dpa Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditreform. »Besonders die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden teils nicht mehr verlängert und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten«, so der Wirtschaftsforscher. Erneut stark vom Pleitesog betroffen sind laut Creditreform das verarbeitende Gewerbe (plus 17,5 Prozent) und der Handel (plus 13,8 Prozent). Der Industrie machten weiter gestiegene Rohstoff- und Energiekosten zu schaffen und der Einzelhandel spüre die Kaufzurückhaltung vieler Konsumenten und die Onlinekonkurrenz. Der größte Anteil der Insolvenzen entfällt den Angaben zufolge mit knapp 7.000 Fällen auf den Dienstleistungsbereich.

Für die zweitstärkste Volkswirtschaft des Westens ist das zu einem echten Standortproblem geworden. Das hiesige Kapital hatte zuletzt gehofft, dass eine unionsgeführte Bundesregierung kapitalistische Grundgesetze wieder mehr respektiert als die Vorgängerinnen. Doch was kam, waren Versprechungen – viele wurden bereits wieder zurückgenommen – und eine gigantische Neuverschuldung des Staates.

Hoffnungen auf einen kreditfinanzierten Konjunkturaufschwung, der mehr als ein Strohfeuer ist, sind dennoch eher unangebracht. Der Löwenanteil dieser durch Aufhebung der Schuldenbremse möglichen neuen Staatskredite dürfte in den gesellschaftlichen Konsum fließen. Vor allem die Verpflichtung zur Erhöhung der erweiterten Rüstungsausgaben auf fünf Prozent des BIP wird dafür sorgen, dass am Ende immer weniger Mittel für Gesundheit, Bildung und Soziales verfügbar sind.

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