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Aus: Ausgabe vom 28.06.2025, Seite 7 / Ausland
Iran

Khamenei wiederaufgetaucht

Religiöser Führer und Staatsoberhaupt spricht Iran Sieg zu. Außenminister Araghtschi erteilt Verhandlungen vorerst Absage
Von Knut Mellenthin
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Demonstration anlässlich des Endes des Krieges mit Israel (Teheran, 25.6.2025)

Nachdem über seinen Aufenthaltsort tagelang nichts bekannt war, hat sich Ali Khamenei am Donnerstag im staatlichen Fernsehen mit Glückwünschen zum »Sieg« an »die große iranische Nation« zurückgemeldet. Irans bewaffneten Kräften sei es gelungen, Israels Abwehrsystem zu durchdringen und »große Teile seiner militärischen und städtischen Zentren plattzumachen«. Zugleich gratulierte der Ajatollah auch zum Sieg über die USA. Iranische Medien meldeten Sieges- und Dankdemonstrationen. Diese wirkten auf Aufnahmen nicht massenhaft, aber spontan.

Khamenei überlebte offenbar in einem hochgesicherten Bunker. Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte am Donnerstag, man hätte ihn gern getötet, doch habe sich dafür keine Gelegenheit ergeben, obwohl man intensiv nach ihm gesucht habe. Aufgrund des militärischen Kräfteverhältnisses zugunsten Israels ist die Beurteilung des Krieges durch den »Revolutionsführer« nicht nachvollziehbar. Trotzdem kommentierte sogar Spiegel online die Rede des 86jährigen als wichtiges Signal und räumte ein, »die Krise könnte ihn sogar gestärkt haben«. Das Magazin zitierte den »Iran-Experten« Walter Posch mit der Einschätzung, die Ajatollahs hätten jetzt in den Krisenmodus geschaltet. »Der Krieg hat ihre Lebenszeit verlängert.« »Die Konsequenzen eines Attentats auf Khamenei wären enorm. Es würde auch den Irak zerreißen, weil die schiitischen Milizen dann nicht mehr zu bändigen wären.«

Jedenfalls scheint der »Regimewechsel« in der Islamischen Republik, den Benjamin Netanjahu schon in den Wochen vor der Aggression in mehreren direkten Ansprachen an die iranische Bevölkerung herbeireden wollte, in den Hintergrund gerückt. Die Attraktivität und Politikfähigkeit der vom israelischen Premierminister in Aussicht genommenen Verbündeten wie des Sohnes des 1978/79 gestürzten Schahs kann als gering gelten. Die US-Regierung verlange seit der »Islamischen Revolution« Irans »totale Kapitulation«, urteilte Khamenei in seiner Botschaft. Das sei »die Wurzel der Feindseligkeit«, eine Beleidigung der Nation und »blanker Unsinn«, über den »jeder kluge und sensible Mensch nur lachen« würde.

Teherans Außenminister Abbas Araghtschi erklärte am späten Donnerstag in einem Fernsehinterview, die iranische Diplomatie werde als Antwort auf die jüngsten Aggressionen Israels und der USA »eine neue Gestalt annehmen«. Im Moment gebe es keine Vereinbarung und keinen Plan, die am 12. April begonnenen Verhandlungen wiederaufzunehmen. Die Entscheidung darüber sei erst nach einer Einschätzung möglich. Der Chefdiplomat widersprach damit einer Ankündigung Donald Trumps, die indirekten Gespräche würden in der kommenden Woche fortgesetzt.

Nach offiziellen Angaben des Teheraner Gesundheitsministeriums vom Mittwoch wurden während des Krieges, den Israel unter dem Namen »Operation Rising Lion« am 13. Juni überfallartig begonnen hatte und der am 24. Juni mit einer Waffenruhe endete, 627 Iraner getötet und 4.870 verletzt. Schon in den ersten Stunden der Aggression fielen unter anderem der Oberkommandierende der Revolutionsgarden (IRGC), Hossein Salami, die Chefs der Luftwaffe, der Luftabwehr und des Nachrichtendienstes der IRGC, Stabschef Mohammed Bagheri und mehrere andere Führungsmitglieder der regulären Streitkräfte sowie sieben Atomwissenschaftler gezielten Tötungen zum Opfer.

Ebenfalls am Mittwoch meldete das Gesundheitsministerium des zionistischen Staates, dass seit dem 13. Juni nach iranischen Gegenschlägen 3.345 Verletzte in Kliniken eingeliefert worden seien, darunter 23 Schwerverletzte. Drei Israelis seien während der Behandlung gestorben, 28 befänden sich auf Intensivstationen. Unklar bleibt derweil das Ausmaß der Schäden an Irans Atomanlagen, die vor allem bei den US-Luftangriffen mit schweren Bomben am 22. Juni verursacht wurden. Araghtschi und Präsident Massud Peseschkian bezeichneten diese ohne genauere Angaben als »schlimm«.

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