Im Wendtland
Von René Lau
Es gibt Organisationen, bei denen fühlt sich der Fußballfan gut aufgehoben, der Polizeibeamte aber betrachtet sie mit Argusaugen. Ein Beispiel sind die Fanhilfen. Es handelt sich um selbstorganisierte Zusammenschlüsse von Fans. Sie beraten in kleineren rechtlichen Fragen oder unterstützen ihre Mitglieder auch mal finanziell bei Strafverfahren. Immer mehr Fanhilfen werden gegründet, und viele von ihnen schließen sich dann im Dachverband der Fanhilfen zusammen. Der stellte in der letzten Woche seinen alljährlichen Bericht vor. Und der liest sich wie ein Lexikon der Schikanen für Fußballfans.
In diesem Jahr wurden 24 exemplarische Fälle aufgelistet, die aufzeigen, wie Polizeibeamte meinen, mit Fußballfans umgehen zu dürfen. Mal ist es Gewalt, mal schlichte Beleidigung. Wer sich diese Fälle ansieht, versteht schnell, dass Fußballfans zu den Lieblingsfeinden der Polizeibeamten zählen. Und wie nicht anders zu erwarten, war auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nicht weit, um abzuwiegeln: Selbstverständlich sei der Bericht nur Stimmungsmache und habe mit der Realität nichts zu tun.
Seit Jahren höre ich Wendts Ergüsse und frage mich immer wieder, ob er jemals ein Stadion besucht hat. Schon vor Jahren habe ich mit ihm zusammen in Talkshows gesessen, geändert hat sich bei ihm nichts. Festzuhalten bleibt, dass es bei der Polizei nach wie vor nicht nur einen Korpsgeist gibt, sondern »Selbstkritik« für sie weiterhin ein Fremdwort darstellt. Es würde den Beamten kein Zacken aus der Polizeikrone fallen, wenn man solche Berichte wie den der Fanhilfen zum Anlass nehmen würden, die eigene Arbeit selbstkritisch zu hinterfragen. Warum ruft Herr Wendt nicht einfach mal bei den ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern des Verbandes an, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen? Dass er dies nicht tut, beweist sein Desinteresse an einer Deeskalation. Gut, dann soll halt alles so bleiben, wie es ist. Team Blau wird auch nächstes Jahr den neuen Bericht ertragen müssen. Denn Veränderungen in seinem Verhalten sind kaum zu erwarten.
»Sport frei!« vom Fananwalt.
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