»Verantwortliche müssen vor Gericht«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Sie planen für das Wochenende eine bundesweite propalästinensische Demonstration in Duisburg. Was sind Ihre Hauptforderungen?
Die Demonstration richtet sich gegen die Komplizenschaft der BRD mit den Verbrechen Israels. Wir wollen klarmachen, was die »Staatsräson« konkret bedeutet: Waffenlieferungen an Israel, politische und moralische Unterstützung für Kriegsverbrechen und Repression gegen jede kritische Stimme.
Im Anschluss soll ein symbolisches Tribunal stattfinden. Wer wird hierfür anreisen?
Das Tribunal richtet sich schwerpunktmäßig gegen die antipalästinensische Repression in Deutschland. Dafür haben wir Betroffene, Kämpfende und Experten eingeladen. So werden etwa Ahmad Othman, Melanie Schweizer und Daniel Shuminov von ihren Kündigungen erzählen. Amir Ali wird über die Kriminalisierung der BDS-Bewegung und den Kampf dagegen sprechen, Zaid Abdulnasser und Leon Wystrychowski über die Verbote von Samidoun sowie Palästina-Solidarität Duisburg und Aitak Barani über das absurde Verbotsverfahren gegen den längst aufgelösten Palästina e. V. Zu den Angriffen auf das Versammlungsrecht sprechen unter anderem der Rechtsanwalt Roland Meister und die Aktivistin Elisa Baş. Weitere Anwälte haben wir eingeladen, über mögliche juristische Gegenoffensiven zu den politischen Angriffen auf das Migrations- und Einbürgerungsrecht zu sprechen, darunter jemand von der Hind-Rajab-Stiftung. Diese verfolgt an Kriegsverbrechen beteiligte israelische Soldaten in Europa juristisch. Eingeladen ist auch Beate Bahnweg, die gegen die Waffenlieferungen an Israel klagt. Auf die Rolle der Medien werden Journalisten eingehen, darunter Hebh Jamal und Yaro Allisat.
Werden auch dezidiert junge Betroffene zu Wort kommen?
Es soll auch um die Repression an den Hochschulen gehen. Dazu werden Vertreter von »Students for Palestine« berichten.
Welche Organisationen unterstützen Ihre Veranstaltung?
Das Tribunal wird unterstützt vom bundesweiten Kufija-Netzwerk, vom European Legal Support Center, von der Ortsgruppe der Roten Hilfe und vom Rechtshilfeverein »3ezwa«, von denen es teilweise auch Grußworte geben wird.
Gegen wen genau richten sich die Anklagen?
Nachdem die »Zeugen« und Experten dargelegt haben, wie sich die Bundes- und Landesregierungen, die staatlichen Institutionen, aber auch die Medien als vermeintliche vierte Gewalt und die Hochschulen schuldig gemacht haben, werden einzelne Personen symbolisch Anklage gegen die BRD erheben: wegen Verstößen gegen und Angriffen auf unsere Grundrechte, auf die Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Wissenschaftsfreiheit, auf das Arbeits- und das Migrationsrecht. Auch Palästinenser, die ihre Angehörigen in Gaza verloren haben, werden die BRD wegen ihrer Beihilfe zu diesen Morden anklagen.
Wie werden Sie mit den Ergebnissen umgehen?
Im besten Fall bleibt es nicht bei dieser symbolischen Anklage. Ein Podium informiert über »Offensivklagen«: Es ist an der Zeit, die politischen Verantwortlichen in diesem Land vor Gericht zu zerren, wegen massenhafter Beihilfe zu und Billigung von Kriegsverbrechen und anderen Völkerrechtsverletzungen, wegen Ankündigungen und Aufforderungen zu Straftaten, wegen Amtsmissbrauchs und Volksverhetzung. Wir hoffen, dass von unserem Tribunal Impulse in solche Richtungen ausgehen und dass es der Sensibilisierung für den juristischen Kampf und der Vernetzung von Akteuren dient.
In der Vergangenheit kam es oftmals zu Störungen von propalästinensischen Demonstrationen. Rechnen Sie mit einem reibungslosen Ablauf Ihrer Veranstaltung?
Wir müssen wie immer mit Anzeigen durch den Staatsschutz rechnen, gehen aber nicht von akuter Polizeigewalt aus. Trotzdem sind wir natürlich vorbereitet: Wir haben einen Ermittlungsausschuss, Anwälte und parlamentarische Beobachter vor Ort. Sollte das Tribunal, wie der Palästina-Kongress in Berlin letztes Jahr, aufgelöst werden, gibt es Alternativpläne. Man kann das Tribunal übrigens auch per Livestream verfolgen.
Thomas Zmrzly ist aktiv beim »Komitee gegen das Verbot von Palästina-Solidarität Duisburg«
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