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Aus: Ausgabe vom 26.06.2025, Seite 8 / Inland
Deutsche Wohnen und Co. enteignen

»Wir lassen uns nicht weiter an der Nase herumführen«

Berlin: Senat zögert Enteignung von Wohnungskonzernen weiter hinaus. Initiative gibt nicht auf. Ein Gespräch mit Ida Mühlhaus
Interview: Gitta Düperthal
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Die Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« kritisiert die Eckpunkte des Berliner Senats zum Vergesellschaftungsrahmengesetz. Wieso verbessert das die Lage für Mieterinnen und Mieter nicht?

Dieses Vergesellschaftungsrahmengesetz ist ein Ablenkungsmanöver. CDU und SPD präsentieren Eckpunkte für ein Gesetzesvorhaben, in dem nochmals alles diskutiert werden soll: also einen leeren Rahmen. Die rechtliche Grundlage zur Enteignung von Immobilien gibt es schon, nämlich Artikel 15 des Grundgesetzes. Ein Rahmengesetz ist somit juristisch kompletter Unsinn.

Wie positionieren sich die beiden Senatsparteien jeweils?

Die SPD behauptet, sie würde sich mit dem Gesetz in Richtung Vergesellschaftung nach Artikel 15 bewegen. Derweil bekräftigt die CDU, dass niemals enteignet werden solle. Es scheint, als müssten SPD und CDU überhaupt erst ein gemeinsames Verständnis entwickeln, sonst bleibt das Gesetzesvorhaben vage. Klar ist, dass es in keinster Weise dem entspricht, was Berlinerinnen und Berliner mit dem Volksentscheid 2021 beschlossen haben: Mieterinnen und Mieter brauchen ein Gesetz, das dem aufgeblähten Immobilienmarkt den Wohnraum entzieht und ihn in Gemeineigentum überführt.

Die CDU behauptet, das Gesetz biete »viele andere Instrumentarien, was Einflussnahme angeht«. Ist das so?

Nein, ist es nicht. CDU und SPD sprechen beispielsweise von möglichen Preisregulierungen – nur völlig nebulös. Unklar ist, weshalb beide Parteien von anderen Instrumentarien sprechen, obwohl Expertinnen und Experten der 2022 einberufenen Kommission zum Volksentscheid »Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen« sagen: Es gibt kein besseres Mittel, als Wohnungen zu vergesellschaften, um die Mieten in Berlin zu regulieren. Da sich beide Parteien sehr unterschiedlich äußern, was mit dem Gesetz gewollt ist, bleibt unklar, was geschehen soll, um die Wohnungsnot zu bekämpfen.

Das Gesetz soll frühestens 2027 in Kraft treten. Berichten zufolge will die Koalition es vorher vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Ist das überhaupt möglich?

Politisch spielen CDU und SPD auf Zeit, was sich in die uns bereits bekannte Verschleppungstaktik einreiht. Juristisch scheint es fraglich. Das Land Berlin kann als Gesetzgeber nicht sein eigenes Gesetz durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen: Das Gericht ist doch kein Dienstleister für einen Senat, der von der Qualität seines eigenen Gesetzes nicht überzeugt scheint. Eine Einschätzung des Verfassungsgerichtes zu einem sehr abstrakten Rahmengesetz würde zudem keinen Mehrwert bieten, weil verfassungsrechtlich relevante Fragen etwa zur Verhältnismäßigkeit oder zur Entschädigung stark vom konkreten Gegenstand abhängen.

Fast vier Jahre ist der Volksentscheid zur Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen her. Wie lang ist Ihr Atem noch?

Das Votum von mehr als einer Million Berlinerinnen und Berlinern auch nach Jahren derart zu missachten, ist skandalös. Auch wenn CDU und SPD jetzt vor der im nächsten Jahr anstehenden Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin geschäftig wirken und versuchen zu verwirren: Wir Berlinerinnen und Berliner vergessen natürlich nicht, wofür wir damals gestimmt haben. Wir lassen uns nicht weiter an der Nase herumführen, sondern kämpfen weiter für eine Vergesellschaftung von Wohnraum.

Dafür setzen Sie sich auch auf Bundesebene für ein Vergesellschaftungsgesetz ein. Weshalb liegt noch kein Entwurf vor?

Wir haben eine renommierte Anwaltskanzlei beauftragt, das Gesetz zu erarbeiten. Oberste Priorität ist, dass es rechtssicher sein und allen Detailfragen auf den Grund gehen muss. Unsere Devise: lieber gründlich als schnell.

Wie geht es danach weiter?

Wir werden einen Gesetzesvolksentscheid anmelden, Unterschriften dafür sammeln und dazu auf der Straße ins Gespräch kommen. Unsere größte Unterstützung ist, dass vor vier Jahren 59,1 Prozent für die Vergesellschaftung gestimmt haben. Wir freuen uns über alle, die mit uns gemeinsam dafür kämpfen und sich unserer Initiative anschließen wollen.

Ida Mühlhaus ist Sprecherin der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«

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