Demokratischer Sozialist vorn
Von Jörg Tiedjen
Mit diesem Sieg hatte anscheinend niemand gerechnet. Bei den Vorwahlen der Demokraten für das Bürgermeisteramt in New York City hat sich mit 43 Prozent der Stimmen ein angeblicher Außenseiter durchgesetzt: der 33jährige Zohran Mamdani, der sich als »demokratischen Sozialisten versteht« und bisher im Stadtparlament den Bezirk Queens vertritt. Der zuvor favorisierte Andrew Cuomo, der in Umfragen lange vorn gelegen hatte, obwohl ihm mehrfach sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden waren, kam am Dienstag (Ortszeit) lediglich auf 36 Prozent.
Prominente Unterstützer gratulierten Mamdani. »Du hast das politische, wirtschaftliche und mediale Establishment herausgefordert und gewonnen«, schrieb laut AFP der linke unabhängige Senator Bernie Sanders, der zweimal mittels parteiinterner Intrigen daran gehindert worden war, sich für die Demokraten um die Präsidentschaft zu bewerben. »Milliardäre und Lobbyisten haben Millionen investiert, um dich zu bekämpfen. Und du hast gewonnen«, gratulierte auch Alexandria Ocasio-Cortez auf X. Sie ist Mitgründerin des sogenannten Squad, einer Gruppe progressiver demokratischer Abgeordneter im US-Kongress.
Zohran Kwame Mamdani, wie sein Name vollständig lautet, ist Sohn der indischen Filmregisseurin Mira Nair und des ugandischen Politikwissenschaftlers Mahmood Mamdani. Sein zweiter Vorname »Kwame« erinnert an den früheren ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah, einen Vorkämpfer des Panafrikanismus. Mamdani ist bekannt für seine propalästinensische Haltung. Den israelischen Krieg gegen Gaza bezeichnet er als »Völkermord«. Im Wahlkampf hat er sich vor allem auch den drängenden sozialen Problemen der Ostküstenmetropole zugewandt und stellt unter anderem eine Mietpreisbremse und kostenlosen Nahverkehr in Aussicht.
Im Unterschied zu den Demokraten haben die Republikaner keine Vorwahl durchgeführt. Sie entschieden vielmehr von oben, den 71jährigen Curtis Sliwa ins Rennen zu schicken. Der Gründer der Bürgerwehr »Guardian Angels« war allerdings bei den zurückliegenden Wahlen 2021 dem Demokraten Eric Adams unterlegen, der sein Bürgermeisteramt bei der Wahl am 4. November als Unabhängiger verteidigen will, durch einschlägige Affären jedoch vom Geruch der Korruption umweht ist.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. Juni 2025 um 09:45 Uhr)Sehr geehrter Herr Tiedjen, Ihre Darstellung von Zohran Mamdani als überraschendem Außenseiter trifft den Kern – doch ein Blick hinter die Zahlen zeigt: Mit seiner progressiven Agenda und starken Unterstützung aus dem linken Flügel der Partei (u. a. Sanders, Ocasio-Cortez) hat er nicht nur punkten können, sondern demonstriert einen echten Wandel in der Wählerbasis. Seine ambitionierten Vorschläge – Mietendeckel, kostenfreier Nahverkehr, Stadt‑Supermärkte – adressieren die drängende Lebenswirklichkeit vieler New Yorker. Andererseits ist bemerkenswert, dass Cuomo, trotz seiner etablierten Basis und massiver Finanzkraft, diese Abstimmung verloren hat. Das weist darauf hin, wie stark der Ruf nach frischem, progressivem Kurs ist, der über wirtschaftliche Fragen hinaus auch Haltungen zu sozialen Themen wie dem Nahost-Konflikt umfasst – und gleichzeitig polarisierend wirken kann. Im November kommt es nun zum Duell: Mamdani gegen Sliwa und den unabhängigen, aber umstrittenen Amtsinhaber Adams. Spannend wird sein, ob der demokratische Sozialismus in New York eine Mehrheit für sich gewinnen kann – und wie sich politisches Kalkül, Idealismus und Wählermacht in einer der weltweit bedeutendsten Metropolen verbinden lassen.
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