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Aus: Ausgabe vom 24.06.2025, Seite 16 / Sport
Tennis

Kein leichter Weg

Die Tschechin Markéta Vondroušová gewinnt das Finale des Tennisturniers Berlin Open
Von Andreas Hahn, Hundekehle
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Die Siegerin: Markéta Vondroušová

Mit Markéta Vondroušová möchte an diesem brütend heißen Sonntag nachmittag anscheinend niemand sprechen. Die Pressekonferenz mit ihr ist gerade abgesagt worden. Mangels signalisierten Interesses der anwesenden Pressevertreter. Die müssten ihre Teilnahmebereitschaft in der Whats-App-Gruppe der Presseakkreditierten nämlich mit einem Daumen-hoch-Symbol freundlicherweise vorher bestätigen. Das haben zu wenige getan. Vielleicht weil sie von der Hitze betäubt sind oder weil sie lieber das anstehende Doppelfinale mit Tortellini-Doper Sara Errani und ihrer Partnerin Jasmine Paolini sehen möchten (die haben zusammen gerade die Doppelkonkurrenz der French Open gewonnen; auf Rasen in Berlin verlieren sie das Finale gegen die Paarung Tereza Mihalíková/Olivia Nicholls 6:4, 2:6, 6:10).

Keine Pressekonferenz also. Dabei hat Vondroušová gerade das Finale der Berlin Open gewonnen. 7:6 (12:10), 4:6, 6:2 gegen die chinesische Qualifikantin Wang Xinyu. Am Vortag hatte Vondroušová im Halbfinale die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka glatt 6:2, 6:4 besiegt. Eine Pressekonferenz gab es da auch nicht. Markéta Vondroušová wird es nicht gestört haben. Die meisten Spielerinnen mögen diese Pressekonferenzen nicht. Sie genießen lieber in Ruhe den Anblick ihrer Trophäe oder die Magnumflasche Champagner, die es in Berlin als Bonus gab. Oder sie lecken ihre Wunden im Fall einer Niederlage. Und eine Niederlage gibt es für einen Tennisprofi praktisch jede Woche.

Nicht so für Vondroušová in der Woche des WTA 500 in Berlin. Der Weg war kein leichter. Im Halbfinale hatte sie Glück, dass Sabalenka vom Viertelfinale sichtlich ausgelaugt war. Dieses Match am Freitag nachmittag – 7:6, 4:6, 7:6 (8:6) gegen ihre regelmäßige Rivalin Elena Rybakina – war das beste Spiel des Turniers, vielleicht das beste der bisherigen Saison. Es hatte auch die Siegerin zuviel Substanz gekostet.

Jedes Match hat seinen Rhythmus. Endspiele sind praktisch unabhängig vom Verlauf eine festliche Angelegenheit, dann gibt es die Matches am Vormittag oder am frühen Abend, die sich langsam in ihren Rhythmus hineinspielen oder eine schlicht vorhersehbare Angelegenheit sind. Und dann gibt es die, die vom ersten Ballwechsel an flirren vor Intensität. Sabalenka gegen Rybakina im Viertelfinale von Berlin war so ein Match. Letztlich profitierte Vondroušová davon. Aber wie gesagt, ihr Weg zum Turniersieg war nicht leicht. Schon in der ersten Runde bekam sie es mit der an sieben gesetzten aktuellen Australian-Open-Siegerin Madison Keys zu tun und gewann es knapp 7:5, 7:6 (8:6). Keys sah danach regelrecht verblüfft aus, wie gut Vondroušová wieder spielte. Die Tschechin hat wegen einer Schulterverletzung den Großteil dieser Saison nicht gespielt. Berlin war nach den French Open erst ihr zweites Turnier nach der Verletzungspause. Und ihr erster Turniersieg nach ihrem sensationellen Wimbledon-Sieg 2023, auch damals ungesetzt – die einzige Spielerin in der Open Era, der dies gelungen ist.

Wegen ihrer Verletzung hatte Vondroušová auch ein sogenanntes Protected Ranking, das ihr überhaupt gestattete, in Berlin im Hauptfeld zu stehen. Ansonsten hätte sie mit ihrer derzeitigen Weltranglistenposition die Qualifikation spielen müssen. So wie ihre Gegnerin Ons Jabeurs im Viertelfinale. Die war auch ihre Gegnerin damals im Wimbledon-Finale 2023 (und die Siegerin in Berlin 2022). Jabeurs hatte in der zweiten Runde des Qualifyings sogar verloren – gegen keine andere als Wang Xinyu (!) –, kam aber als »Lucky Loser« dennoch ins Hauptfeld.

Überhaupt hatte das Qualifikationsturnier es in diesem Jahr in Berlin in sich. Es gibt nicht viele Vorbereitungsturniere für Wimbledon in der kurzen Rasensaison. Für das WTA 500 in Berlin hatten neun der ersten zehn der Weltrangliste gemeldet. Der »cutoff« fürs Hauptfeld lag zunächst bei Platz 18 der Weltrangliste, genau bei Ljudmila Samsonowa (Siegerin in Berlin 2021, in diesem Jahr Halbfinalistin). Und obwohl bis auf Iga Świątek die gesamte Top ten der WTA in Berlin vertreten war, gab es ein Finale zwischen einer ungesetzten Spielerin und einer Qualifikantin. Aber auch schon das WTA 500 in der Vorwoche in London war von einer Qualifikantin gewonnen worden – der deutschen Veteranin Tatjana Maria.

Es war aber auch das Finale zwischen einer Wimbledon-Siegerin (Vondroušová) und einem Ausnahmetalent auf schnellen Belägen (Wang). Die Chinesin wird sicherlich ihre vergebenen fünf Satzbälle im Tiebreak des ersten Satzes bitter bereuen. Nach Petra Kvitova 2023 hat also wieder eine tschechische Linkshänderin das Rasenturnier in Berlin gewonnen. Aber auch Wang kann nach vorne blicken. Ihre Teilnahme am WTA 250 in Bad Homburg diese Woche hat sie allerdings abgesagt. In Wimbledon wird sie keine Qualifikation spielen müssen. Im Gegenteil: Als aktuelle Nummer 33 der Weltrangliste (40 Plätze höher als Vondroušová) hat sie gute Chancen, in die Setzliste des am kommenden Montag beginnenden Turniers zu rutschen. All das gehört zu den alltäglichen Paradoxien der Abläufe im Profitennis. Wang Xinyu wird es nicht stören.

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