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Aus: Ausgabe vom 25.06.2025, Seite 16 / Sport
Tennis

»Bitte geh sterben«

Zahlreiche Tennisprofis leiden unter Hasskommentaren aus digitalen Medien
Von Jens Walter
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»Ich hab’ daran gedacht, deshalb meine Karriere zu beenden« – Ons Jabeur

Hasskommentare wie »Hoffentlich bekommst du Krebs« gehören für Tennisprofis zum Onlinealltag. Alexander Zverev, Carlos Alcaraz, Aryna Sabalenka, Cori Gauff – sie alle werden beschimpft, beleidigt, bedroht. Nicht immer bleiben Hass und Hetze im digitalen Raum.

Wenn am 30. Juni Wimbledon beginnt, stehen die Spieler wieder im Rampenlicht von Millionen Fans. Darunter auch solche, die Hass im Netz verbreiten. Zahlreiche Profis nutzen den Zeitraum, um auf Anfeindungen aufmerksam zu machen. Sie fordern besseren Schutz und härtere Konsequenzen.

»Jeder Spieler erlebt Hass. Ich hab’ daran gedacht, deshalb meine Karriere zu beenden«, sagte die ehemalige Wimbledonfinalistin Ons Jabeur. Die Tunesierin ist Muslima, sie müsse nicht zuletzt wegen ihrer Religion in den Kommentarspalten allerhand ertragen, sagte sie bei den Berlin Open.

Bei der Britin Katie Boulter lösen Hassnachrichten Angstzustände aus. Etwa, wenn gedroht wird, das Grab ihrer Großmutter zu schänden. Oder wenn jemand schreibt: »Bitte geh sterben.« Wie ihre Kolleginnen löscht die 28jährige die Hasskommentare häufig selbst. Beziehungsweise versucht sie es – leider sind es zu viele.

Trainer und Freunde übernehmen bisweilen die Funktion eines Social-Media-Managers. »Die ersten 20, 30 Minuten nach einem Match gibst du dein Handy der Mama, dem Papa, dem Freund, der Freundin, dem Trainer. Dann geht es los: Löschen, blockieren, löschen, blockieren«, sagte die frühere Topspielerin Andrea Petkovic zu T-online.

Die WTA weiß um die Bedrohungen und mögliche psychische Folgen. Eine Studie, die Kommentare unter Social-Media-Konten von rund 8.300 Spielerinnen analysierte, zeigt: Von 1,6 Millionen Kommentaren wurden 8.000 als gewalttätig oder bedrohlich eingestuft. Im Laufe des Untersuchungszeitraums (Januar bis Dezember 2024) waren 458 Spielerinnen Ziel von Beschimpfungen und Bedrohungen. In 15 Fällen wurden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet, in drei Fällen war das FBI involviert.

Laut WTA-Bericht sind »wütende Wetter« für 40 Prozent der Beschimpfungen verantwortlich. »Du kriegst Nachrichten, in denen sie schreiben, wieviel Geld sie deinetwegen verloren haben, sie drohen dir, schreiben, du sollst es zurückzahlen«, sagte Eva Lys. Petkovic meint gar, das Geschäft mit den Sportwetten führe »ins Social-Media-Verderben«. Die WTA will nun »einen konstruktiven Dialog« mit der Glücksspielindustrie beginnen, um gegen entspechende Personen vorzugehen. Die Anfrage der dpa beim deutschen Sportwettenverband blieb allerdings unbeantwortet.

Besorgniserregend ist auch, dass immer mehr Tennisspielerinnen von Bedrohungen im richtigen Leben berichten. Zuletzt hatten Stalkingvorfälle um die frühere Weltranglistenerste Iga Świątek und die frühere US-Open-Siegerin Emma Raducanu für Aufsehen gesorgt. Die aktuelle French-Open-Siegerin Cori Gauff erzählte, wie ihr jemand nach Hause folgte.

Bei den Berlin Open standen pro Court zwei Sicherheitskräfte zur Verfügung. Auch während der Pressekonferenzen war Security anwesend. »Man weiß nie, ob so eine Person vor Ort ist, ob sie in der Nähe ist, ob sie weiß, wo man wohnt«, sagte Boulter bei anderer Gelegenheit. Ihre Landsfrau Harriet Dart wiederum sieht die Betreiber sozialer Medien in der Pflicht und fordert Ausweiskontrollen beim Erstellen neuer Instagram-Accounts.

Auf Darts Forderungen reagierte Instagram-Mutterkonzern Meta bisher nicht ernsthaft. Eine Sprecherin teilte lapidar mit: »Mobbing und Hassrede sind inakzeptabel und auf unseren Plattformen nicht erlaubt. Wir gehen aktiv dagegen vor und arbeiten daran, Menschen noch besser vor unangebrachten Inhalten in Direktnachrichten oder Kommentaren zu schützen.«

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