Stärke, Stärke über alles
Von Arnold Schölzel
Am Dienstag gab Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Bundestag eine Regierungserklärung ab. Anlass waren der an diesem Dienstag beginnende zweitägige NATO-Gipfel in Den Haag und das anschließende EU-Spitzentreffen in Brüssel. Merz nutzte die Gelegenheit für Großmachtrhetorik gegenüber Russland. Dessen Präsident Wladimir Putin verstehe »nur die Sprache der Stärke«. Putin zeige keinerlei Friedensbereitschaft. Wörtlich formulierte Merz: »Darum heißt Friedensarbeit jetzt auch, in dieser Sprache zu sprechen.«
Die Rede war gespickt mit ähnlich martialischen Sprüchen. Beispiele: Deutschland könne aus seinen Bündnissen heraus die Entwicklung der Welt in den kommenden Jahren mitgestalten. Dafür gebe es eine doppelte Voraussetzung: »Wir brauchen zugleich Stärke und Verlässlichkeit, nach innen und nach außen.« International sieht Merz sich fast am Ziel: »Deutschland ist wieder zurück auf der europäischen und der internationalen Bühne.« Und: »Diese neue Entschlossenheit wird in der Welt registriert und von unseren Partnern und Freunden sehr begrüßt.«
Den NATO-Gipfel nannte Merz »ohne Übertreibung historisch«. Mit dem geplanten Beschluss für Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung wolle die Allianz erreichen, »dass es niemand wagen kann, uns anzugreifen«. Das geschehe nicht, »wie vereinzelt behauptet wird, um den USA und ihrem Präsidenten einen Gefallen zu tun«. Vielmehr handelten die NATO-Partner »aus eigener Anschauung und Überzeugung, weil vor allem Russland die Sicherheit und die Freiheit des gesamten euroatlantischen Raums aktiv und aggressiv bedroht«. Merz bekräftigte seine Absicht, die Bundeswehr »zur stärksten konventionellen Armee Europas zu machen«.
Kritik am Hochrüstungskurs der Koalition, den das Kabinett am Vormittag mit dem Haushalt 2025 bestätigt hatte, kam von AfD und Linkspartei. Mehr Unterstützung als von der SPD erhielt Merz von Bündnis 90/Die Grünen. Deren Kofraktionschefin Britta Haßelmann stimmte der These zu, durch Putin sei die »Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa gefährdet«. Daher seien »Investitionen« in Sicherheit, Verteidigung, Geheimdienste usw. nötig. Zugleich äußerte Haßelmann Unverständnis für das »Manifest« von SPD-Mitgliedern, in dem eine Rückkehr zur Kombination von Rüstung mit Dialog nach dem Vorbild John F. Kennedys und Willy Brandts gefordert wurde. Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch erklärt: »In diesen Zeiten führt kein Weg an Diplomatie vorbei. Jeder Versuch ist es wert, jedes Gespräch nicht umsonst.«
Linken-Fraktionschef Sören Pellmann warf Merz eine komplett verfehlte Haushalts- und Sicherheitspolitik vor. Die Antwort der Koalition auf die meisten außenpolitischen Fragen laute »aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten«. Derweil würden die finanziellen Spielräume insbesondere der Kommunen immer kleiner: Fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung seien »kompletter Irrsinn«. Dies entspreche 225 Milliarden Euro für die Rüstung und sei »unvorstellbar«. Pellmann kritisierte zudem scharf die Absicht, die Wehrpflicht wieder einzuführen, und wies darauf hin, dass ein großer Teil der Jugend »keinen Bock auf Ihren Waffenrock« habe. AfD-Kofraktionschef Tino Chrupalla, der seine Partei fest »an der Seite Israels« sieht, merkte an, dass die Vereinten Nationen in der Regierungserklärung nicht erwähnt wurden. Er hob besonders hervor, dass »Islamismus konsequent bekämpft« werden müsse.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (24. Juni 2025 um 22:27 Uhr)»Der Blinde führt den Lahmen« – eine Redewendung, die traurigerweise treffend auf das Koalitionsduo der deutschen Regierung passt und bedauerlicherweise weiterhin richtungsweisend bleibt. »Deutschland ist stark«, sagt der Blinde, »wir können uns ruhig hoch verschulden«, erlaubt der Lahme. Ein unerfahrenes Duo, das Deutschland an den Abgrund führt!
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