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Aus: Ausgabe vom 23.06.2025, Seite 4 / Inland
Berliner Senat plant ASOG-Novelle

Big Brother in Berlin

Berliner Regierung will Polizeibefugnisse ausweiten: KI-Einsatz, mehr Überwachung und »Rettungsschüsse«. Kritik von Grünen und Linken
Von Kristian Stemmler
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Überwachen, niederhalten und strafen: Das kleine Einmaleins der Polizeiarbeit (Düsseldorf, 22.3.2025)

CDU und SPD setzen in Berlin bereits um, was in Berlin erst geplant ist: mehr Polizeibefugnisse und noch mehr Überwachung und Repression. Die Fraktionsspitzen der beiden Parteien haben sich bei ihrer Klausur in Nauen auf eine Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) geeinigt. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) behauptete am Sonnabend gegenüber Tagesspiegel, die geplanten Maßnahmen »erhöhen die Sicherheit im öffentlichen Raum«.

Dazu soll es an sieben sogenannten »kriminalitätsbelasteten Orten« dauerhafte Videoüberwachung geben, so am Kottbusser Tor, dem Alexanderplatz und dem Görlitzer Park. Dabei ist auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) geplant – nicht um Personen zu identifizieren, wie Spranger versicherte, sondern um verdächtige Verhaltensmuster zu erkennen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dürfen Videoaufnahmen aus Bussen und Bahnen künftig statt 48 Stunden 72 Stunden speichern. Das soll Verbrechensopfern helfen, die sich erst verspätet bei der Polizei melden.

Auch kommt die Quellentelekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Dabei greift Überwachungssoftware die Daten ab, bevor sie verschlüsselt werden. Das diene laut Spranger der Abwehr von organisierter Kriminalität und Terrorismus. Zu diesem Zweck sollen künftig auch Kryptowährungen präventiv beschlagnahmt werden. Ferner erhalte die Polizei mehr Rechts- und Handlungssicherheit bei Bodycam- und Schusswaffeneinsätzen. Der »finale Rettungsschuss« bei Gefahr für Leib und Leben werde erstmals gesetzlich geregelt.

Teil des Gesetzespakets sind auch härtere Maßnahmen im Kampf gegen häusliche Gewalt. Die Polizei Berlin soll die Befugnis erhalten, das Verbot zur Betretung der gemeinsamen Wohnung von 14 auf 28 Tage zu verlängern. Damit würden die meist weiblichen Opfer ausreichend Zeit erhalten, um beim Familiengericht Schutz auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes zu erlangen.

Kritik am neuen Polizeigesetz kam von der Opposition im Abgeordnetenhaus. So bezeichnete Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, laut RBB die Ausweitung der Videoüberwachung als »Symbolpolitik«. Statt die Alltagsnöte der Polizei zu adressieren, würden »mit der Novelle neue Befugnisse und Aufgaben geschaffen, die vor allem Sicherheit simulieren«. Der Linke-Innenpolitiker Niklas Schrader erklärte, »Schwarz-Rot« habe »jegliches Maß beim Schutz der Grundrechte verloren«. Während Projekte der Gewaltprävention gekürzt würden, setze die Koalition auf »Polizei und Repression als Mittel gegen gesellschaftliche Probleme«.

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