S.O.S.
Von Norman PhilippenErinnern Sie sich noch an die Schiffskatastrophe vor der griechischen Küstenstadt Pylos vor zwei Jahren? Als der mit vermutlich 750 Menschen überladene Kutter »Adriana« sank und nur 104 der vor Krieg und Elend geflüchteten Passagiere gerettet werden konnten? Fast verzeihlich, wenn nicht. Wurde das Unglück doch medial überschattet von der »Titan-Tragödie«, bei der ein paar Tage später fünf Premiumpassagiere auf Expedition zum Wrack der »Titanic« ums Leben kamen. Da so was seit der griechischen Antike als tragisch gilt, Havarien Hilfloser auf dem Mittelmeer hingegen aufgrund allzu hinlänglicher Alltäglichkeit schon 2023 den einschlägig eingeschlagenen Kurs breiterer Berichterstattung nur noch selten kreuzten, machte die implodierte Expedition auch mehr Schlagzeilen. So weiß man denn nicht so genau, wie viele Menschen mit der »Adriana« im Mittelmeer verschwanden, dafür gilt immerhin als gesichert, dass es ein Xbox- und eben kein Playstation-Controller war, mit dem das U-Boot »Titan« hinunter zur »Titanic« gesteuert wurde.
Nein, viel erfährt nicht mehr über das Anwachsen der Zahl der Ertrunkenen im Massengrab Mittelmeer, wer danach nicht intensiv in der Medienwelt Fluten Ausschau hält. In denen versinkt zusammen mit den jährlich Tausenden Trostlosen auch der Topos der Seenotrettung. So leicht auch die Dokumentation »Save our Souls«, die der genossenschaftliche Filmverleih Drop-Out Cinema anlässlich des 24. »Weltflüchtlingstags« am 20. Juni in leider nicht mehr als 40 deutschen Kinos zeigen kann, bevor der Film dann im Oktober noch einmal offiziell starten wird. Der französische Fotograf und Regisseur Jean-Baptiste Bonnet filmte sechs Wochen lang an Bord der »Ocean Viking«. Seit 2016 wurden fast 40.000 Menschen von dem Seenotrettungsschiff in Sicherheit gebracht.
»Save Our Souls«, Regie: Jean-Baptiste Bonnet, Frankreich 2024, 91 min
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