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Aus: Ausgabe vom 20.06.2025, Seite 11 / Feuilleton
Rolf Dieter Brinkmann

Ein schwieriges Verhältnis

Den Bogen überspannt. Brinkmanns Brandflecken
Von Frank Schäfer
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»Fuck you!«: Rolf Dieter Brinkmann, gerne unsympathisch

Brinkmann sucht 1967 Kontakt zum früheren KiWi-Werbemann Jörg Schröder. Er hat mitbekommen, dass Schröder als Leiter des Melzer-Verlags mit der »Geschichte der O«, Leroi Jones, Kerouac und Che Guevara ein literarisch wie politisch ziemlich provokantes Programm auf die Beine stellt. Er schickt ihm sein »Ohne Neger«-Gedichtbändchen und antichambriert, weil er und Ralf-Rainer Rygulla sich hier einen neuen literarischen Tummelplatz erhoffen.

Brinkmann empfiehlt seinen Freund als Kenner der inoffiziellen US-Literatur. Der hatte gerade bei der Berliner Oberbaum-Presse einen Band »Underground Poems« herausgegeben – mit Frank O’Hara, Ed Sanders, Charles Olson, Robert Creeley etc. Schröder zeigt sich sehr interessiert, und bereits ein Jahr später erscheint eine stark erweiterte Auflage bei Melzer, die legendäre »Fuck You!«-Anthologie. Als nach der Palastrevolution bei Melzer der März-Verlag aus der Taufe gehoben wird, gehört Rygulla zum Lektorat.

In den Jahren 1969/70 nehmen die beiden enormen Einfluss auf das literarische Programm des Verlags. »Acid« ist das nächste große Projekt, aber auch an der Anthologie »März-Texte 1« ist Brinkmann beteiligt, unter anderem mit der 35 Druckseiten langen Gedichtcollage »Vanille«, und an »Trivialmythen« mit dem Fotoessay »Wie ich lebe und warum«. Er übersetzt auch Ted Berrigans Gedichte »Guillaume Apollinaire ist tot«, aber die mehrmals angekündigte Lyrik-Prosa-Sammlung »Omnibus« erscheint schon nicht mehr, weil sich Schröder und Brinkmann in der Zwischenzeit völlig entzweit haben. Schröder lässt die ganze Kommunikation zwischen Brinkmann und dem Verlag schließlich von Rygulla abwickeln, der dadurch zwischen die Fronten gerät. Sein Verhältnis zu Brinkmann kühlt nach 1970 deutlich ab. Sie treffen sich noch einmal in Frankfurt, und Brinkmann beschreibt ihre Begegnung in seinem Tagebuch ohne freundschaftliche Gefühle. Eine »Atmosphäre wie bei älteren Tanten« habe geherrscht und Rygulla so altklug gesprochen »wie ein Rezensent oder wie eine lebendige Kritik in der Zeitschrift«. Erst kurz vor dem Tod scheint er noch einmal versucht zu haben, mit seinem alten Kombattanten Kontakt aufzunehmen.

Das Verhältnis zu Schröder ist von Anfang an schwierig, wie auch zuvor schon seine Beziehungen zu den KiWi-Lektoren Wellershoff und Matthaei und den Verlegern Witsch und Neven Dumont. Brinkmann glaubt offenbar, Schröder hineinreden zu können, wie er seinen Verlag zu führen und auszurichten hat, und das will der sich nicht gefallen lassen. Es gibt auch Streit über den Umfang von »Acid«, der immer mehr zunimmt, nur als es an den Satz geht, da arbeiten alle drei offenbar einträchtig Hand in Hand. Dann allerdings kommt Schröder auf die Idee mit der März-Postuniform. »Ich hatte diese gelben Andrucke nach Köln geschickt, da hängte sich Brinkmann ans Telefon, beschimpfte mich, ob ich wohl wahnsinnig geworden sei, er sei doch nicht verrückt, daß er seine Bücher in so einem gelben Einheitsumschlag erscheinen lassen würde, und wenn ich das nicht sofort aufgäbe, dann werde er auch alle anderen Autoren dazu bringen, nichts im März-Verlag zu veröffentlichen.«

Hier prallen zwei Alphamännchen aufeinander, die sich nichts schenken. Der Verleger will sich nicht in die Suppe spucken lassen, hält dagegen, und meistens beruhigt sich der Dichter dann wieder.

In der »Mammut«-Anthologie erzählt Schröder von einer Lesung, die in einem Eklat endet, weil ein neurotisch-verrückter Buchhalter des Verlags einfach nicht stillsitzen kann. Brinkmann liest »Vanille«, der arme Mann scharrt mit den Füßen, erträgt das kryptische, aus Briefen, Bildern, Anzeigen und lyrischen Partien zusammengestoppelte Pop-Gedicht offenbar nicht, und da rastet der Dichter wieder einmal aus.

Schließlich überspannt Brinkmann den Bogen. Er sei immer wieder in den Verlag gerauscht gekommen und habe sich lautstark »über die Drogenverweichlichung und die ganze Textschluderei« ausgelassen, »das gehöre jetzt alles ausgerottet und der gesamte Verlag nebst allen Verlagsmenschen dazu. Das werde jetzt alles anders organisiert, nämlich nach der Methode Obersturmbannführer Brinkmann.« Es ist diese »kryptofaschistische Maulhurerei«, die Schröder besonders auffällt, weil sie in so einem großen Kontrast steht zu seiner Sensibilität, und die den Verleger irgendwann dazu bewegt, den persönlichen Kontakt mit seinem Autor einzustellen. Aber auch dann noch ist er von seiner Größe und Publikumswirksamkeit absolut überzeugt und hätte auch den Sammelband »Omnibus« ohne weiteres produziert.

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