Livestream: technische Störung
Gegründet 1947 Freitag, 20. Juni 2025, Nr. 140
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Livestream: technische Störung Livestream: technische Störung
Livestream: technische Störung
Aus: Ausgabe vom 20.06.2025, Seite 7 / Ausland
Ukraine-Krieg

»Meinetwegen auch mit Selenskij«

Putin sendet bei Petersburger Wirtschaftsforum mehrdeutige Signale über Beendigung des Ukraine-Kriegs
Von Reinhard Lauterbach
7.JPG
Putin erklärt sich dem Präsidenten der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua (St. Petersburg, 19.6.2025)

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Veranstaltung am Rande des Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums zu einer Wiederholung der russischen Kriegsziele genutzt. Er hoffe, dass der »militärische Konflikt« bald und auf diplomatischem Wege beendet werden könne, sagte Putin bei einer Fragerunde mit internationalen Journalisten. Sollte sich aber die Ukraine weiterhin den russischen Forderungen verweigern, müsse die Sache eben ausgefochten werden. Putin wiederholte die Darstellung, dass der Krieg mit dem gewaltsamen Vorgehen der Ukraine gegen die ostukrainischen Regionen begonnen habe. Russland habe dem viel zu lange zugesehen.

Der Präsident zeigte sich einerseits bereit, »meinetwegen« auch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenskij zu verhandeln; das Abschlussdokument müsse aber für die Ukraine jemand unterschreiben, der politisch dazu legitimiert sei. Selenskij sei das nicht, weil die ukrainische Verfassung keine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten vorsehe und diese 2024 ausgelaufen sei. Die Ukraine argumentiert, dass die eigentlich 2024 fällig gewesenen Neuwahlen des Präsidenten wegen des Kriegszustandes nicht hätten stattfinden können und deshalb alle Wahlen bis nach Kriegsende verschoben werden müssten.

Angesprochen auf die angekündigte deutliche Erhöhung der NATO-Verteidigungsausgaben sagte Putin, diese stelle für Russland keine Bedrohung dar. Das Land sei militärisch autark und in der Lage, alle Gefahren zu neutralisieren. Gleichzeitig warf er dem kollektiven Westen aber vor, riesige Mittel in einen Rüstungswettlauf zu investieren, der überhaupt nicht nötig sei. Für die Russland unterstellten angeblichen Absichten, Mittel- und Westeuropa anzugreifen, fehlten alle Beweise.

Explizit wandte sich Putin an die Adresse von Bundeskanzler Friedrich Merz. Wenn dieser anrufen und mit ihm reden wolle, sei er dafür offen. Merz möge sich aber keine Illusionen machen, die BRD als Vermittler ins Spiel bringen zu können. Berlin sei nicht neutral und deshalb nicht dafür geeignet. Für den Fall, dass Merz der Ukraine die von dort erbetenen »Taurus«-Marschflugkörper liefern sollte, drohte Putin mit der »endgültigen Zerstörung« der russisch-deutschen Beziehungen. »Taurus« sei nur von deutschen Soldaten und mit Hilfe deutscher Satellitendaten programmierbar; sein Einsatz auf ukrainischer Seite bedeute eine unmittelbare Kriegsbeteiligung der BRD. Einfluss auf den Ausgang des Krieges würden solche eventuellen Lieferungen aber nicht haben.

In ungewohnter Schärfe wies Putin den Vorwurf eines Reporters der US-Nachrichtenagentur AP zurück, Russland sei für die Zerstörung eines Wohnblocks in Kiew Anfang der Woche verantwortlich. Das hätten AP-Reporter beobachtet. »Wenn Ihre Reporter das gesehen hätten, hätten sie das Ihnen schon nicht mehr erzählen können, weil sie dann nicht mehr am Leben wären«, so Putin wörtlich. Russland greife Objekte der ukrainischen Militärindustrie an, keine Wohnbauten, so Putin. In ukrainischen Telegram-Kanälen sind Videos aufgetaucht, die angeblich den Moment zeigen, in dem eine ukrainische Abwehrrakete das russische Geschoss getroffen und vom programmierten Kurs abgebracht habe. Kurz darauf war dann eine Feuersäule zu sehen. Eine präzise Zuordnung der Aufnahmen ist aber nicht möglich.

Die Zahl der Todesopfer des Angriffs vom Montag ist inzwischen auf 28 gestiegen, darunter allein 22 in dem zerstörten Treppenhaus eines Wohnblocks. Um einen der Getöteten gab es einen innerukrainischen Konflikt. Die Parlamentsabgeordnete Marjana Besugla schrieb auf Facebook, wer mit 31 Jahren in der Ukraine zu studieren vorgebe, der drücke sich nur vor der Armee. Den jungen Mann habe »sein Karma erreicht«. Das Posting löste eine Welle der Kritik aus. Bilder des jungen Mannes und seiner um ihn trauernden Eltern hatten am Dienstag im ukrainischen Segment des Internets große Verbreitung gefunden. Besugla schrieb nachträglich, sie trete für die Hunderttausenden Ukrainer ein, die an der Front täglich ihr Leben aufs Spiel setzten. Ihr Eintrag sei nicht persönlich gemeint gewesen.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Gerettet: Die russischen Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt...
    07.06.2025

    Großangriff auf Kiew

    Russland beschießt Ukraine mit mehr als 400 Drohnen und 40 Raketen. Putin stellt Verhandlungen mit Kiew in Frage
  • Noch nicht die Antwort auf Kiews Angriff: Arbeiten nach russisch...
    06.06.2025

    Trump wiegelt ab

    US-Präsident spricht von »gutem Gespräch« mit Putin nach Kiews Angriff vom Wochenende
  • Der ukrainische Angriff auf Russlands Bomberflotte setzt Sicherh...
    06.06.2025

    Spiel mit dem Feuer

    Angriff auf Atombomber Russlands

Mehr aus: Ausland

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!