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Aus: Ausgabe vom 19.06.2025, Seite 16 / Sport
Staatsfeind Fan

Gefährder im Stadion

Dachverband der Fanhilfen präsentiert Saisonbericht zu Repression gegen Fußballanhänger
Von Oliver Rast
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Aufmarsch: Hochgerüstet und in voller Montur im Innenraum der Arena beim Niedersachsenderby (Hannover, 9.3.2025)

Sie sind eine Gefahr für Stadionbesucher: Polizisten. Abermals dokumentiert im Saisonbericht 2024/25 des Dachverbands der Fanhilfen. Die Fanrechtler des bundesweiten Zusammenschlusses von knapp 30 Fanhilfen veröffentlichten am Mittwoch 24 Repressionsfälle auf 26 Seiten. »Die Spitze des Eisberges«, so die Berichterstatter. Und damit bliebe die Anzahl von polizeilichen und behördlichen Übergriffen im Vergleich zum Vorjahresbericht »stabil auf hohem Niveau«, ergänzte Linda Röttig, Mitglied im Vorstand des Fanhilfendachverbands, gleichentags gegenüber jW.

Die Gewaltbereitschaft von Beamten ist längst ein Dauerproblem, besonders für Anhänger in den rebellischen Kurven der Stadien. In allen Ligen, wohlgemerkt. Drei, vier Schlaglichter aus dem saisonalen Abschlussbericht: Zweitligakick 1. FC Magdeburg gegen den FC Schalke 04 Ende August vergangenen Jahres. Rund 500 Schalker seien am Bahnhof Magdeburg-Herrenkrug von Polizeikräften aufgehalten und mit einem Betretungsverbot belegt worden. Anlass für den schweren Grundrechtseingriff sollen Hinweise auf eine »Drittortauseinandersetzung« gewesen sein. Folge: Besuchsausschluss zahlreicher 04-Fans, leere Plätze im Gästeblock samt Stimmungsboykott. Knapp zwei Monate später. Schauplatz Hannover. Die 96er hatten Heimrecht gegen die Schalker. Der örtlichen Fanhilfe zufolge habe die Polizeidirektion in Zusammenarbeit mit dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga versucht, Hotels in Niedersachsens Landeshauptstadt »zur proaktiven Weitergabe personenbezogener Daten« von Gästefans an die Polizei zu bewegen. Ein Datenschutzverstoß, zumal seit diesem Jahr keine Meldepflicht mehr für Hotelgäste bestehe.

Eine Etage höher, ins Oberhaus. Der FC St. Pauli gastierte im Februar bei El Dosico in Leipzig. Die Anhängerschar aus Hamburg wurde nach Angaben des Fanhilfenberichts bereits bei der Ankunft am Leipziger Hauptbahnhof »von einem massiven Polizeiaufgebot empfangen, darunter Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE)«. Ein betont aggressiv auftretender Trupp. Auf dem Bahnsteig dann der Exzess. Fans wurden seitens BFE-Kräften geschubst, gestoßen, geschlagen. Auch Minderjährige. Die »Braun-Weisse Hilfe« der Paulianer stufte den Polizeieinsatz »als systematisch geplant, eskalierend und rechtswidrig ein«. Oder ein Beispiel aus demselben Monat vom Rheinduell, die Kölner vom FC gegen die Düsseldorfer der Fortuna. Laut Polizei habe es einen »Anfangsverdacht zur möglichen Begehung von Straftaten« gegeben. Nach der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erhielten alle betroffenen Fortunen einen Platzverweis für das Kölner Stadtgebiet plus Befehl zur Heimreise auf die andere Rheinseite.

Ein überregionales Sportpolitikum ist das Niedersachsenderby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig. Auch im März ordneten Behörden einen Teilausschluss von Gästefans an. Ein Prozedere, bekannt bereits aus dem Hinspiel im Oktober. Im Nachgang wurde bekannt, so die Fanhelfer, »dass durch dieses Vorgehen die Einsatzkosten gestiegen waren«. Kein Wunder: Der Aufmarsch mehrerer Einsatzhundertschaften während der Partie war martialisch, zwei Wasserwerfer im Innenraum des weiten Runds als Drohkulisse.

Es bleibt dabei: Stadien samt Umgebung sind das Experimentierfeld, aktive Fans die Testpersonen für allerlei Repressalien. Sie sind markiert, als innerstaatlicher Feind. Mehr noch, befürchtet Röttig, politisch Verantwortliche wollen zum »finalen Schlag« gegen die freie und selbstbestimmte Fankultur ausholen. Die Gefahr sei akut.

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