Zurückrudern fürs Kapital
Von Sebastian Edinger
Während sich die Auseinandersetzungen um den radikalen Abschiebekurs der US-Administration auf den Straßen Kaliforniens immer weiter zuspitzen, rudert die Regierung von Präsident Donald Trump teilweise zurück. Vor allem in der Landwirtschaft sowie in Hotels und Restaurants soll die Einwanderungsbehörde United States Immigration and Customs Enforcement (ICE) künftig kaum noch Razzien durchführen. Einen entsprechenden Bericht der New York Times hat das Heimatschutzministerium mittlerweile bestätigt. Zu wichtig sind die leicht auszubeutenden Einwanderer ohne Papiere für die US-Ökonomie.
Denn wer keine Aufenthaltserlaubnis hat, hat weniger Möglichkeiten, die Einhaltung von Arbeitsstandards einzuklagen oder sich im Kampf für eine anständige Bezahlung zu organisieren. In der Landwirtschaft sind laut dem New American Economy Research Fund knapp 50 Prozent der Beschäftigten außerhalb der USA geboren, jeder Vierte von ihnen hat keine Papiere. In Hotels und Gastronomie machen Einwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis landesweit rund zehn Prozent der Beschäftigten aus, in größeren Städten bis zu 40 Prozent. Die massenhafte Ausbeutung dieser Personengruppe ist längst fester Bestandteil der Profitmaximierungsstrategien des US-Kapitals.
Viele Unternehmen, die auf billige Arbeitskräfte ohne Papiere setzen, sind in den letzten Wochen auch deshalb in Bedrängnis geraten, weil viele ihrer Beschäftigten aus Angst vor den ICE-Trupps kaum mehr das Haus verließen – und erst recht nicht zur Arbeit erschienen. Es hatte sich herumgesprochen, dass das aggressive Behördenpersonal sogar an den Arbeitsplätzen auftaucht, um die »Illegalen« einzukassieren. Auch die Verfügbarkeit der in Kapitalkreisen wegen ihrer flexiblen Einsetzbarkeit beliebten Tagelöhner brach Berichten zufolge vielerorts ein, seit an den typischen Treffpunkten immer häufiger ICE-Fahrzeuge auftauchen.
Trump selbst hatte die Änderungen in der Abschiebepraxis im Vorfeld bereits auf seiner Plattform Truth Social angedeutet, und sich auf Kapitalinteressen berufen: »Unsere großartigen Landwirte und Menschen im Hotel- und Freizeitsektor haben erklärt, dass unsere sehr aggressive Einwanderungspolitik ihnen sehr gute, langjährige Arbeitskräfte wegnimmt«, schrieb er. Zwar seien diese Beschäftigten ohne Papiere »keine Bürger«, sie hätten sich jedoch »als großartig erwiesen«. Man könne den Bauern nicht einfach die Arbeitskräfte wegnehmen.
Umfassend abgeschoben werden soll trotzdem weiterhin, nur eben kapitalschonend. Schließlich sind bislang nur spezifische Sektoren ausgenommen, und auch in diesen wird es weiterhin Kontrollen geben. So heißt es in dem Bericht der New York Times weiter, in den betroffenen Branchen seien Ermittlungen im Zusammenhang mit Menschenhandel, Geldwäsche und Drogenschmuggel weiterhin »in Ordnung«. Begleitpersonen, die »nicht kriminell« seien, sollen jedoch von Festnahmen verschont bleiben.
Gut möglich, dass bald auch in anderen Sektoren die Festnahmen ausländischer Arbeiter ohne Papiere zurückgefahren werden. Druck kommt unter anderem aus dem Gesundheitswesen und der Bauwirtschaft. Auch hier verschlechtern sich die Renditeperspektiven durch die Abschiebepolitik der Trump-Administration rapide, da ein erheblicher Teil der Beschäftigten zugewandert ist. Im Gesundheitssektor sind 28 Prozent, in der Baubranche 40 Prozent der Belegschaften ausländischer Herkunft – wenngleich nicht alle ohne Aufenthaltserlaubnis sind. Insgesamt leben in den USA laut Schätzung des Migration Policy Institute 13,7 Millionen Einwanderer ohne Papiere.
Deutlicher Widerspruch zu den massenhaften Abschiebungen Eingewanderter mit Blick auf deren ökonomische Relevanz kam zuletzt in Kalifornien vielfach auch von der lokalen Ebene. So betonte etwa die Bürgermeisterin der Küstenstadt Ventura, Jeannette Sanchez‑Palacios, vergangene Woche bei einer Pressekonferenz, ihre Region sei landwirtschaftlich geprägt. »Sie lebt von der Arbeit, der Widerstandsfähigkeit und dem kulturellen Reichtum der Einwanderergemeinschaften. Und wenn unsere Arbeitskräfte in Angst leben, werden die Felder nicht abgeerntet«, sagte sie. Die Auswirkungen seien nicht nur auf lokaler, sondern auch auf nationaler Ebene spürbar.
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