Gegen Krieg und Diktatur
Von Nick Brauns
Schwere israelische Luftangriffe trafen in den vergangenen Tagen die kurdischen Siedlungsgebiete des Iran. Im nach Autonomie strebenden Nordwesten des Landes sind die Revolutionsgardisten der Islamischen Republik besonders stark konzentriert. Als Sunniten leiden die mindestens neun Millionen Kurden im Vielvölkerstaat unter nationaler wie religiöser Unterdrückung. Schon die landesweite »Jin, Jiyan, Azadî«-Bewegung nach dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei hatte 2022 ihren Ursprung in dieser stark von Armut geprägten Region. Auch mehrere Generalstreiks gegen staatliche Repression zeigen den hohen Organisationsgrad der Kurden. Ihnen wird in Regime-Change-Plänen Israels und der USA daher eine Schlüsselrolle eingeräumt.
Die noch auf die kurdische Republik von Mahabad 1946 zurückgehende traditionelle Demokratische Partei des iranischen Kurdistan (PDK-I) sieht den Krieg als »unvermeidliche Folge der Politik der Islamischen Republik«. Die Rettung könne nur darin bestehen, »dieses Regime vollständig zu entfernen und zu beenden«, heißt es auf X. Hilfe von den USA und der EU hierfür erwartet zwar auch der Vorsitzende der sozialdemokratischen Komala-Partei, Abdullah Muhtadi. Doch »Kriege sind nie nützlich; sie fordern nur Opfer. Das Ende des religiösen Regimes liegt allein in den Händen der Iraner«, erklärte er gegenüber Corriere della Sera. Die Krise könne jedoch dazu genutzt werden, auf die Straße zurückzukehren. Die marxistisch orientierte »Kurdistan-Organisation der Kommunistischen Partei des Iran – Komala« lehnt den Krieg zwischen dem »faschistischen Israel« und dem »menschenfeindlichen islamischen Regime« grundsätzlich ab, der Ausweg sei »die Mobilisierung und Organisierung des iranischen Volkes« für den revolutionären Sturz des Regimes.
Offen hinter die israelischen Angriffe stellt sich dagegen die kleine nationalistische Freiheitspartei Kurdistans (PAK), die auf Social Media KI-generierte Videos von Hunderten Peschmerga-Kämpfern präsentiert. In Wahrheit haben die wenigen hundert Peschmerga ebenso wie andere in der benachbarten Kurdistan-Region des Irak stationierte kurdisch-iranische Oppositionsgruppen 2023 ihre Waffen nach iranischem Raketenbeschuss an die dortige kurdische Regionalregierung abgegeben.
Lediglich die Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), eine Schwesterpartei der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), unterhält weiterhin zahlreiche Guerillakräfte im gebirgigen Grenzgebiet zum Iran. Deren Stärke könnte sich noch erheblich erhöhen durch Übertritte aus den Reihen der PKK, die ihre Auflösung angekündigt hat. Allerdings wird es die PJAK – seit 2011 gibt es einen Waffenstillstand mit Teheran – nicht auf einen offenen Krieg ankommen lassen, solange die Zentralmacht nicht nachhaltig geschwächt ist. Statt dessen setzt die Partei auf zivilen Widerstand durch die Fortsetzung der »Jin-Jiyan-Azadî-Revolution«. »Wir haben über Jahre hinweg Strukturen aufgebaut, die auf kollektive Verteidigung, Organisation und Solidarität setzen. Unser Volk wird in dieser Phase weder allein noch schutzlos bleiben«, erklärte PJAK-Vertreter Zegrus Enderyarî gegenüber ANF.
»Dies ist kein Befreiungskrieg, sondern ein Krieg um Macht und Interessen«, warnt die PJAK bezüglich der israelischen Angriffe, den Preis dafür müsse die Zivilbevölkerung beider Länder zahlen. »Wir vertreten in dieser geopolitischen Konstellation einen dritten Weg – jenseits der herrschenden Machtblöcke«.
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