Teurer Booster
Von Kristian Stemmler
Für Unternehmen plant die »schwarz-rote« Koalition neue Steuerbefreiungen in Milliardenhöhe. Die daraus resultierenden Einnahmeausfälle würden vor allem die Kommunen treffen. Ihre Probleme damit, etwa den Betrieb von Kitas und Schulen aufrechtzuerhalten, würden dadurch nur größer. Wie das verhindert werden kann – darüber verhandelte die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch nachmittag mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei einem Treffen im Bundeskanzleramt. Konkret ging es um die Einnahmeausfälle, für die der sogenannte »Investitionsbooster« sorgen dürfte. Die Länder sind mit dem Maßnahmenpaket zwar prinzipiell einverstanden, fordern aber einen finanziellen Ausgleich.
Der Bund plant unter anderem erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für Maschinen und Elektrofahrzeuge. Ab 2028 soll außerdem die Körperschaftsteuer sinken. Diese Pläne bringen deutliche Einnahmeverluste mit sich. Laut Gesetzentwurf wären es für die Kommunen 13,5 Milliarden Euro weniger, für die Länder 16,6 Milliarden und für den Bund 18,3 Milliarden – also insgesamt rund 48 Milliarden. Zwar sind vom 500 Milliarden Euro schweren »Sondervermögen Infrastruktur« 100 Milliarden für die Länder vorgesehen. Doch die Kommunen dürfen daraus keine laufenden Ausgaben finanzieren.
Vor Beginn des Treffens warnte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor einer Verschärfung der Haushaltslage der Kommunen. Wenn diesen weitere Milliarden fehlten, hätten sie »kein Geld mehr für die Bürger vor Ort«, erklärte Schwesig im ARD-»Morgenmagazin« – »weder für das Schwimmbad noch für die Musikschule oder den Sportverein«. Bereits jetzt seien die Haushaltslöcher der Kommunalkassen groß, mahnte sie. Die Länder erwarteten ihr zufolge von der Audienz bei Merz eine »klare Zusage« dahingehend, »dass es eine Kompensation gibt, vor allem für die Kommunen«.
Auch die Gewerkschaft Verdi warnte vor Steuergeschenken für Unternehmen ohne finanziellen Ausgleich. Die Kommunen weiter auszutrocknen, könne zum »Risiko für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den demokratischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft« werden, schrieb Verdi-Chef Frank Werneke in einem Brief an alle Ministerpräsidenten, aus dem dpa am Mittwoch zitierte. Werneke bezifferte demnach das Loch, das die Pläne in die Kassen der Kommunen reißen würden, auf bis zu 14 Milliarden Euro bis 2029. Ihre Handlungsfähigkeit würde »endgültig« in Frage gestellt, schrieb der Verdi-Chef. Viele wichtige Investitionen oder Ausgaben in die öffentliche Daseinsfürsorge drohten weiter eingeschränkt zu werden.
Der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) erklärte, Bund und Länder seien im Ringen um das Investitionsprogramm unter Zeitdruck. Bis zur kommenden Woche müsse es eine Lösung geben, sagte Lies am Mittwoch, weil der Bundestag dann über das Programm debattieren wolle. Bis dahin müsse »die Einigung so gefestigt sein, dass alle wissen, woran sie dran sind«. Am Donnerstag der kommenden Woche steht der »Investitionsbooster« im Parlament auf der Tagesordnung.
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte seine grundsätzliche Unterstützung für das Investitionspaket des Bundes, verwies aber auf das Prinzip »Wer bestellt, bezahlt«. Damit nahm er Bezug auf den im Koalitionsvertrag fixierten Grundsatz der »Veranlassungskonnexität«, dem zufolge Steuerausfälle für Länder und Kommunen ausgeglichen werden müssen, wenn der Bund sie verursacht hat. Wüst betonte, wenn eine Einigung bis zur Bundesratssitzung am 11. Juli erzielt werden solle, müsse das Gesetzesprojekt jetzt vorankommen: »Sonst landet es am Ende im Vermittlungsausschuss.«
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) dämpfte unterdessen die Erwartungen an das Bund-Länder-Treffen. Bei einer Veranstaltung der Rheinischen Post erklärte er, das Thema werde man bei der Ministerpräsidentenkonferenz »wahrscheinlich noch nicht abschließen« können. Es müsse »sehr genau diskutiert werden«. Aber klar sei, dass es eine Lösung geben müsse.
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