Gegründet 1947 Mittwoch, 18. Juni 2025, Nr. 138
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Angriffe auf Migranten

Pogromstimmung in Nordirland

Rassistische Ausschreitungen werden von faschistischen Kadern angeheizt. Von Dieter Reinisch
Von Dieter Reinisch
15.JPG
In Belfast wurde am Sonnabend gegen die Gewalt des rassistischen Mobs demonstriert

Wie ein Lauffeuer breiten sich die gezielten Angriffe auf Migranten in den loyalistisch-protestantischen Gebieten Nordirlands aus – auch nach über einer Woche rassistischer Gewalt. Ihren Ursprung haben die Ausschreitungen in der Kleinstadt Ballymena in der Grafschaft Antrim nördlich von Belfast. Am vergangenen Montag formierte sich dort aus dem Protest gegen einen mutmaßlichen sexuellen Übergriff auf eine Jugendliche ein gewalttätiger Mob.

Als Brandbeschleuniger fungierten dabei extrem rechte und neofaschistische Kanäle in den sozialen Medien. Die behaupteten, dass es sich bei den vermeintlichen Tätern um junge, migrantische Männer gehandelt haben soll. Auch der Account des Gründers der faschistischen English Defence League (EDL), Tommy Robinson, bürgerlicher Name Stephen Yaxley-Lennon, verbreitete entsprechende Falschmeldungen. Es zeigt sich damit ein ähnliches Muster wie Ende November 2023, als es in der irischen Hauptstadt Dublin zu tagelangen rassistischen Ausschreitungen kam.

Von den Meldungen angestachelt, begannen in der Nacht auf Dienstag vergangene Woche schwere rassistische Ausschreitungen. Mehrere Nächte hintereinander attackierte der Mob die Häuser von Migranten, nachdem tagsüber ihre Häuser markiert worden waren. Auch jene mit weißen, britischen Bewohnern erhielten Zeichen, damit die Angreifer diese nicht auch zerstörten.

Die Gewalt griff auf andere Städte über, darunter Larne, Derry, Belfast und Portadown. Laut Polizei wurden bis zum Wochenende 29 Personen festgenommen und 21 angeklagt. Die Opfer waren Angehörige verschiedener ethnischer Minderheiten, hauptsächlich Filipinos und Rumänen, aber auch Bulgaren und Angehörige anderer EU-Staaten. In vielen Gegenden Nordirlands, in denen wie in Ballymena loyalistische Paramilitärs einen bedeutenden Einfluss haben, wurden Migranten durch Graffitis aufgefordert, ihre Stadtviertel zu verlassen.

Zuletzt kam es im August 2024 zu rassistischen Übergriffen in Belfast, nachdem ausländerfeindliche Proteste aus England nach Nordirland übergeschwappt waren. Dutzende Geschäftslokale von Migranten wurden damals in Brand gesetzt. Zu den Protesten waren auch extrem rechte Aktivisten aus dem Süden Irlands angereist.

Zu den Agitatoren, die Jugendliche zu den Angriffen auf Migranten anstacheln, dürften auch Faschisten aus England und Schottland zählen, darunter Mitglieder der EDL und von »Britain First«. Beide Gruppen pflegen seit Jahren enge Verbindungen zu den nordirischen Loyalisten. Die Unruhen erinnerten an die antikatholische Gewalt in Ballymena in den 1990er Jahren. Damals wurden Häuser von irischen Nationalisten in Brand gesetzt. Heute leben im Stadtzentrum von Ballymena nahezu keine Katholiken mehr.

Die Ausschreitungen wurden von einem Netzwerk loyalistischer Banden, weißer Nationalisten und britischer Faschisten orchestriert, also von denselben Kreisen, die hinter der rassistischen Gewalt der vergangenen Jahre stehen.

Unterstützt werden sie von unionistischen Politikern: Jim Allister, der Westminster-Abgeordnete für North Antrim und Parteichef der Traditional Unionist Voice, sagte vergangene Woche, es habe einen »Zustrom von Roma« nach Ballymena gegeben, der »den raschen demographischen Wandel vorangetrieben« habe. Statistiken zeigen jedoch, dass die Gegend gemessen an ihrer Größe eine der kleinsten Migrantengemeinden in Großbritannien und Irland hat.

In einem Social-Media-Post erklärte die sozialdemokratische Vorsitzende Claire Hanna, was in Ballymena passierte, sei »kein Aufruhr, sondern ein Pogrom gewesen. Die Menschen gingen von Tür zu Tür und suchten nach Angehörigen von Minderheiten, während Frauen und Kinder in ihren Häusern angegriffen wurden.«

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Die »Birmingham Six«: John Walker, Patrick Hill, Hugh Callaghan,...
    16.11.2024

    »Birmingham Six«

    Bei einem Anschlag der IRA in Birmingham vor 50 Jahren starben 21 Menschen. Dafür verurteilt wurden Unschuldige
  • Polizeieinsatz gegen die antimuslimischen Ausschreitungen am 3. ...
    21.08.2024

    Law and Order in Nordirland

    Britischer Premier verspricht bei Besuch vor allem der Polizei mehr Befugnisse
  • 21.05.2014

    Zwei Übergriffe pro Tag

    In Nordirland steigt die Zahl rassistischer Attacken. Probritische Milizen terrorisieren Einwanderer

Mehr aus: Antifaschismus

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!