Kampagne ohne Biss
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Zwei Wochen nach der vom PiS-Kandidaten Karol Nawrocki knapp gewonnenen Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen kündigt sich eine Schlammschlacht an. Seit dem Wochenende publiziert der rechte Fernsehsender TV Republika alle zwei Tage Mitschnitte angeblicher Geheimgespräche von Politikern der regierenden Bürgerplattform (PO). Die Absicht ist leicht erkennbar: Schon 2015 hatte eine Abhöraffäre den Ruf der damaligen Tusk-Regierung untergraben und zum Machtwechsel geführt, jetzt soll das Manöver offenbar wiederholt werden.
Bisher allerdings ist das, was Republika veröffentlicht hat, nicht besonders brisant. Die erste Aussendung betraf ein Gespräch zwischen Donald Tusk und dem PO-Politiker Roman Giertych von 2019, worin sich dieser beschwerte, für die Sejmwahl keinen aussichtsreicheren Wahlkreis abbekommen zu haben. Abgesehen von ein paar abfälligen Bemerkungen über das PiS-Publikum war das die übliche Klüngelei. Dass die PiS daraus eine angeblich für den damaligen EU-Ratsvorsitzenden Tusk verbotene »Einmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedstaates« machte, hat mit der Wahrheit wenig zu tun: Das Gespräch zwischen Tusk und Giertych betraf eine Parteiangelegenheit, keine staatliche.
Auch was am Montag abend auf Republika nachgeschoben wurde, war nur mäßig aufregend: im wesentlichen ein paar Fragmente aus Gesprächen zwischen Giertych und dem Bankbesitzer Leszek Czarnecki, der damals von der PiS erpresst worden war, seine Institute einer staatlichen Bank zu überschreiben, und der sich mit Giertychs anwaltlicher Hilfe dagegen wehrte. In einem der Ausschnitte ging es darum, dass Czarnecki den Politiker und Gemahlin zu einem Kurzaufenthalt in ein Luxushotel in Venedig einlud und ihn aufforderte, gleich noch Radosław Sikorski samt Ehefrau dazuzubitten – Minister war Sikorski damals aber noch nicht. Ob es zu dem Besuch gekommen ist, geht aus dem Gespräch nicht hervor. Giertych war hörbar etwas lustlos. In einem anderen Ausschnitt zogen beide über die damals gerade von der PiS beschlossene Erhöhung des Mindestlohns her: Sie sei eine »Katastrophe« gewesen. Ein Sittenbild des Liberalismus war das schon, aber nichts Illegales und auch nichts politisch Überraschendes. Alle diese Fragmente stammen ebenfalls aus dem Sommer 2019, sind also heute eher kalter Kaffee.
Trotzdem ist das Entstehungsdatum der Aufnahmen aufschlussreich. 2019 war die PiS an der Macht, und ihr »Zentrales Antikorruptionsbüro« (CBA) ermittelte damals wegen angeblicher Wirtschaftsdelikte gegen Giertych. Dazu wurde die seinerzeit von Justizminister Zbigniew Ziobro beschaffte israelische Spionagesoftware »Pegasus« verwendet – zweckwidrig, denn sie sollte offiziell der Terrorbekämpfung dienen. Da im übrigen die Ermittlungen gegen Giertych in der Zwischenzeit ergebnislos eingestellt wurden, hätten die Aufnahmen eigentlich vernichtet werden müssen. Das wurden sie aber offenkundig nicht, obwohl die Leitung des CBA gegenüber dem neuen Innenminister Tomasz Siemoniak das Gegenteil versichert hatte. Damit liegt der Verdacht nahe, dass das CBA eine eigene Agenda verfolgt und seine Ermittlungsergebnisse gegen die aktuelle Regierung in Stellung zu bringen sucht.
Auch folgen die neuen »Enthüllungen« kaum zufällig auf eine Schmutzkampagne der PO gegen Nawrocki im zurückliegenden Wahlkampf. In ihm hatten Tusk nahestehende Medien kübelweise Unappetitliches aus Nawrockis Lebenslauf ans Tageslicht gefördert – mit hoher Wahrscheinlichkeit gespickt von einem anderen Geheimdienst, der »Agentur für innere Sicherheit«. Die hatte Nawrocki mehrfach Sicherheitsüberprüfungen unterzogen und wusste deshalb einiges über ihn. Nach dieser Seite sind wir also Zeugen einer Fehde zweier Abteilungen des polnischen »tiefen Staates«. Warum gerade am Beispiel von Giertych? Er ist bei der PiS fast noch verhasster als Tusk. Denn der Rechtsaußenpolitiker war in der ersten Kaczyński-Regierung (2005–2007) eine Zeitlang Erziehungsminister, bevor er aus dem Kabinett geworfen wurde. Seitdem tut Giertych so, als wäre er schon immer ein Gegner Kaczyńskis gewesen.
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