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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 5 / Inland
Kriegsdrohnen

Tod durch Helsing-KI

Münchner Startup sammelt 600 Millionen Euro ein und verspricht Ethik beim Killen. Von Ralf Wurzbacher
Von Ralf Wurzbacher
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Morden per Fernsteuerung – oder bald ganz autonom?

Für nicht wenige wirkt die »Zeitenwende« tödlich, andere macht sie reich. Das deutsche Startup Helsing mit Sitz in München gehört zu den großen Gewinnern des Umbruchs, der mit dem russischen Angriff auf die Ukraine einsetzte. Sein Geschäftsfeld, der Tod, ist auf der Firmenwebseite im Tarnkleid gewandet. »Der Schutz freier, demokratischer Gesellschaften durch Abschreckung und Verteidigung ist unsere staatsbürgerliche Pflicht (…) und kollektive Verantwortung.« Das kommt gut an – bei Regierenden und Investoren. Wie es am Dienstag bekanntgab, hat das auf KI-Technologie spezialisierte Unternehmen weitere 600 Millionen Euro bei einer Reihe potenter Geldgeber eingesammelt, angeführt von der Investmentgesellschaft Prima Materia des Spotify-Gründers Daniel Ek. Von Haus aus ist Spotify ein Streamingdienst für Musik. Heute gibt der Krieg den Ton an.

Helsing fertigt bereits die Kamikazedrohne HX-2, die von der Ukraine eingesetzt wird und von der Bundeswehr getestet werden soll. Zuletzt hatten die Münchner ein Unterwassersystem sowie eine künstliche Intelligenz (KI), die ein Jagdflieger in komplexen Luftkampfszenarien führen soll, vorgestellt. »Europa stärkt seine Verteidigungskapazitäten als Reaktion auf die sich ändernden geopolitischen Herausforderungen rasch«, erklärte Ek, der als Chairman bei der Rüstungsschmiede wirkt. »Damit besteht ein dringender Bedarf an Investitionen in fortschrittliche Technologien, die die strategische Autonomie und Sicherheitsbereitschaft gewährleisten.« Der Schwede hatte Prima Materia 2020 gegründet und erstmals 2021 auf Helsing gesetzt. Nun verdoppele er seinen Einsatz, sagte er der Financial Times (Dienstagausgabe).

Drohnen und KI sind der Renner auf den aktuellen und kommenden Schlachtfeldern der Welt. Sie verheißen chirurgische Präzision beim Töten und Zerstören und null menschliche Verluste auf seiten der Bediener der Waffensysteme. Sie sind damit bestens geeignet, Krieg als Mittel der Politik noch salonfähiger zu machen. Im Orwell-Neusprech von Helsing lautet die »Mission« so: »Wir wollen (…) ethische Überzeugungen in den Mittelpunkt der Entwicklung von Verteidigungstechnologie stellen.« Das Hauptprodukt der Firma ist dabei laut Technikchef Niklas Köhler »die Intelligenz, die auf der Drohne sitzt«. Dabei bleibe allerdings stets ein Mensch eingebunden, nach dem Konzept »human in the loop«. So viel Humanismus muss sein beim Abschlachten.

Köhler hatte das Unternehmen 2021 gemeinsam mit dem Videospielunternehmer Torsten Reil und Gundbert Scherf, einem früheren Beamten des Bundesverteidigungsministeriums, ins Leben gerufen. Mitsamt der neuesten Geldspritze hat Helsing mittlerweile 1,34 Milliarden Euro an Fremdkapital aufgetrieben und wird mit einem Marktwert von zwölf Milliarden Euro bewertet. Zu den weiteren Unterstützern zählen neben Prima Materia unter anderem Lightspeed Ventures, Accel, Plural, General Catalyst und SAAB. Der schwedische Konzern hatte seine Automobilsparte 1999 verkauft und ist seither nur noch als Rüstungskonzern unterwegs. Helsing integriert seine KI-Software im Rahmen einer Partnerschaft in die Systeme der SAAB-Kriegsgeräte.

Gemeinsame Sache machen die Münchner außerdem mit dem in Paris ansässigen Open-AI-Konkurrenten Mistral. Gerade erst hatte man bekanntgegeben, den bayerischen Flugzeughersteller Grob Aircraft zu übernehmen, mit dem Ziel, der Entwicklung fortschrittlicher Lösungen für den Luftkampf der Zukunft. Dagegen war eine 2022 angekündigte Partnerschaft mit Rheinmetall im vergangenen Jahr gescheitert.

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