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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 2 / Ausland
Politische Verfolgung in Panama

»130 Compañeros werden von der Justiz verfolgt«

Panama: Polizei geht hart gegen Straßenblockaden und Proteste vor. Ein Gespräch mit Yamir CórdobaThorben Austen
Interview: Thorben Austen
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Die Situation in Panama ist gerade etwas unübersichtlich. Nach den wochenlangen Streiks gegen die neoliberale Rentenreform hieß es Ende vergangener Woche erst, es gäbe eine Einigung. Nun geht die Staatsgewalt seit Sonnabend aber hart gegen die Proteste vor.

Seit Sonnabend führt die Regierung die »Operation Omega« durch, um die Straßenblockaden im Land zu beenden. Dabei setzt sie Tausende Polizisten der Senafront ein, einer paramilitärischen Grenzschutztruppe. Die greifen besonders unsere indigenen Brüder und Schwestern aus der Luft, zu Wasser und zu Land mit Tränengas und Schrotkugeln an. In einigen Fällen wird auch von Angriffen mit tödlicher Munition berichtet. Trotz all dieser Willkür leisten die Menschen Widerstand, und die Straßensperren bleiben bislang bestehen. Auf beiden Seiten werden Dutzende Verletzte gemeldet.

Aber gab es denn nicht eine Einigung bei dem Gesetz 462, der Rentenreform?

Die Compañeros der Gewerkschaft der Arbeiter der Bananenindustrie konnten die Abgeordnetenversammlung dazu bewegen, ein Sondergesetz – Gesetz 45 – wieder in Kraft zu setzen. Das sieht Vergünstigungen für Arbeiter auf den Bananenplantagen vor, wie etwa die Möglichkeit, vorzeitig in Rente zu gehen. Damit ist wohl auch eine Überprüfung des Gesetzes 462 vorgesehen. Die Forderung nach vollständiger Abschaffung des Gesetzes 462 – der Privatisierung der Rentenkassen – bleibt aber bestehen. Die Compañeros der Bananenplantagen streiken auch weiter für die Rücknahme der über 7.000 Entlassungen während der Proteste. Auch die anderen Gründe für die Streiks bleiben bestehen.

Die da wären?

Nein zur angestrebten Wiedereröffnung der Minen, nachdem die Bevölkerung 2023 ein Verbot des Bergbaus durchsetzen konnte. Nein zu den Staudämmen am Río Indio, die auch unter dem Vorwand des erhöhten Wasserbedarfs für den Panamakanal gebaut werden. Nein zum Memorandum mit den USA, das US-Militärbasen in unserem Land erlauben soll und gegen die Neutralität Panamas verstößt. Und ein Ende der Verfolgung von Gewerkschaftern und Aktivisten der sozialen Bewegungen.

Ihre Gewerkschaft Suntracs ist stark von der staatlichen Repression betroffen. Im Mai gab es Festnahmen, die offiziell mit Geldwäsche und Betrug begründet werden. Was steckt hinter diesen Vorwürfen?

Es handelt sich um politische Verfolgung. Es geht um die aktuellen Proteste gegen die Rentenreform und das Memorandum mit den USA und unsere Rolle bei den Protesten 2023, als das Ende des Bergbaus erreicht wurde. Aktuell sitzen zwei Compañeros in Haft, im Falle des Genossen Genaro López konnten wir erreichen, dass er in den Hausarrest entlassen wurde. López ist 70 Jahre alt und eine historische Persönlichkeit unserer Gewerkschaft. Der Genosse Jaime Caballero sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis. 130 Mitglieder unserer Gewerkschaft werden juristisch verfolgt, sowohl leitende Compañeros als auch Aktivisten der Basis. Unser Generalsekretär Sául Méndez hat am 22. Mai nach Morddrohungen in der Botschaft von Bolivien politisches Asyl beantragt. Die Botschaft prüft den Fall, so lange kann er dortbleiben. Auch sind unsere Konten eingefroren, unsere normale Gewerkschaftsarbeit ist in Gefahr. Das haben wir bei der ILO (Internationale Arbeitsorganisation, jW) zur Anzeige gebracht. Panama wurde auf die Liste der 24 Staaten gesetzt, die die Gewerkschaftsarbeit am meisten einschränken.

Trotz der Repression sind die sozialen Bewegungen in Panama stark, bei Wahlen gewinnt aber immer die neoliberale Rechte.

Wir haben an den vergangenen drei Wahlen mit Parteien aus dem Gewerkschaftsspektrum teilgenommen, 2019 mit Saúl Méndez als Kandidat. Es ist richtig, die Ergebnisse blieben bescheiden, er erreichte damals 0,7 Prozent. Das liegt etwa an der negativen Presseberichterstattung – wir würden aus Panama ein Land wie Kuba, Nicaragua oder Venezuela machen wollen und die individuelle Freiheit und die Verfassung nicht respektieren. Es ist uns bisher nicht gelungen, in der Arbeiterklasse Panamas einen qualitativen Sprung nach vorn zu machen, so dass sie anfängt, als Klasse und für ihre Interessen zu denken. Aber Streiks wie der aktuelle helfen, hier Bewusstsein zu schaffen.

Yamir Córdoba ist Sekretär für Organisation der Gewerkschaft Suntracs in Panama

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