Präziser Völkerrechtsbruch
Von Mawuena Martens
Sie war gerade dabei, die Nachrichten zu verkünden, als eine laute Explosion Sahar Emami mitten im Satz unterbricht. Trümmerteile fliegen herunter, Rauch steigt auf, die prominente iranische Journalistin eilt in Sicherheit. Noch während die Aufnahmen um die Welt gehen, moderiert Emami die nächste Sendung. Sie hatte Glück, doch drei ihrer Kollegen überleben den israelischen Angriff auf das Gebäude des Rundfunks der Islamischen Republik Iran (IRIB) am Montag abend nicht. Außenminister Abbas Araghtschi verurteilte die Tat als »feige«. »Wenn sie auf dem echten Schlachtfeld keinen Erfolg erzielen können, greifen sie zivile Einrichtungen an.« Im Völkerrecht gelten Journalisten als Zivilisten und dürfen nicht ins Visier genommen werden – abgesehen davon, dass Israels Angriffskrieg ohnehin illegal ist. Dessen für Krieg zuständiger Minister, Israel Katz, äußerte sich lobend über die Attacke auf die »Propagandaeinrichtung«.
Auch in der Nacht zu Dienstag setzte Israel seine heftigen Bombardierungen fort. Es meldete zudem die Tötung des neuen Oberbefehlshabers Ali Schadmani. Agenturen berichteten am Morgen, dass Irans Gegenwehr nur noch aus dem Abschuss einzelner Raketen bestünde. Iran selbst teilte mit, »strategische Ziele« wie eine Zentrale des Auslandsgeheimdienstes Mossad in Tel Aviv getroffen zu haben. Die israelischen Streitkräfte gaben zwar zu, Ziel gewesen zu sein, äußerten sich aber zunächst nicht weiter. Ein Betreiber einer wichtigen Ölraffinerie in Haifa teilte mit, dass nach einem iranischen Raketenangriff vom Sonntag alle Anlagen des Betriebs stillgelegt seien.
Premier Benjamin Netanjahu befeuerte gegenüber dem US-Sender ABC Gerüchte über (angeblich von US-Präsident Donald Trump verhinderte) Pläne zur Tötung von Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei. »Wir tun, was wir tun müssen.« Einheimischen Fluggesellschaften hatte seine Regierung bereits am Montag untersagt, Staatsbürger auszufliegen. Begründet wurde die Anordnung mit Überfüllung am Flughafen von Tel Aviv, so Haaretz. Die Zeitung berichtete auch von Hunderten, die Unsummen für eine Flucht aus dem Land per Yacht nach Zypern zahlen. Gleichzeitig werden die Rufe nach mehr Schutzinfrastruktur in mehrheitlich von Arabern bewohnten Gebieten lauter.
Trump wiederholte – noch beim G7-Gipfel in Kanada am Montag (Ortszeit) – Drohungen aus Westjerusalem: »Jeder sollte Teheran sofort verlassen.« Er verlangte die vollständige Kapitulation der Iraner. Vermutungen, seine Aussagen könnten einen Kriegseintritt der USA bedeuten, erteilte Washington jedoch eine Absage. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge haben die USA einen zweiten Flugzeugträger in den Nahen Osten geschickt. Was genau den Einwohnern der iranischen Hauptstadt droht, blieb unklar. Mit ihren schätzungsweise 15 Millionen Einwohnern könnte sich die Metropole zu Füßen des Elbrus-Gebirges zur Falle entwickeln.
Das offizielle Teheran hat unterdessen seine Angebote, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, erneuert. Insider berichteten davon, dass es Oman, Katar und Saudi-Arabien gebeten habe, ihren Einfluss bei Trump geltend zu machen und Netanjahu zu einer Waffenruhe aufzufordern. Im Gegenzug würde sich das Land bei den Atomverhandlungen flexibel zeigen. Das regierungsnahe US-Nachrichtenportal Axios berichtete, das Weiße Haus diskutiere über ein mögliches Treffen zwischen dem US-Gesandten Steve Witkoff und Araghtschi.
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