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Aus: Ausgabe vom 24.06.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Biologie

Odems Muster

Studie: Jeder Mensch atmet einzigartig. Gesundheitliche Zustände sind ablesbar
Von Felix Bartels
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Wie man sieht, haben auch Raucher eine Seele

Das Altertum wusste: Im Atem liegt die Seele. Genosse Elohim haucht einem Lehmklumpen Leben ein, und das griechische Wort pneuma meinte ebenso Seele, wie das griechische psyche und das lateinische spiritus ursprünglich Atem bedeuteten. Seele heißt ja Leben, im lateinischen anima fällt das zusammen. Daran, dass es atmet, merkt man, dass das Vieh lebt.

Dass auch Seele im engeren Sinn mit Atem zusammenhängt, geht aus einer Studie am Weizmann Institute of Science in Israel hervor. Timna Soroka von der dortigen Fakultät für Biologie hat das genauer untersucht. Der Atemrhythmus wird vom Gehirn präzise gesteuert, angepasst an Verhalten und körperliche Bedürfnisse. Zugleich kann Atmung die Aktivität des Gehirns beeinflussen. Bei dieser Wechselwirkung fragt sich: Wenn das Gehirn einer Person einzigartig ist, gilt das auch für ihr Atemmuster?

Die Forscher entwickelten ein leichtes, im Nacken tragbares Gerät mit weichen Schläuchen, deren Enden unter den Nasenlöchern plaziert wurden. Damit ließ sich die Atmung etwa 24 Stunden lang kontinuierlich verfolgen. 97 junge Erwachsene trugen über zwei Jahre hinweg das Gerät wiederholt im Alltag. Mittels KI wurden die Daten auf Muster geprüft sowie unter Berücksichtigung von insgesamt 20 Parametern, etwa Dauer und Volumen von Ein- und Aus­atmen oder Regelmäßigkeit der Atempausen, miteinander verglichen.

Das Ergebnis: Atmung ist tatsächlich individuell, über einen längeren Zeitraum stabil und so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Anhand dieser »Nasen-Luftstrom-Fingerabdrücke« konnte das Team die Testpersonen mit einer Genauigkeit von 96,8 Prozent identifizieren, womit die biometrische Erkennung per Atemtest sich als ähnlich präzise erweist wie die Spracherkennung. Zudem entdeckten die Forscher Zusammenhänge zwischen Atemprofil und medizinischen Merkmalen, etwa dem Body-Maß-Index, dem Schlaf-Wach-Zyklus und dem Ausmaß von Depressionen sowie Angstzuständen. So war bei Personen mit Tendenz zu Angst das Einatmen während des Schlafs kürzer, und die Pausen zwischen den Atemzügen waren schwankend.

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