Hängepartie um Deutschland-Ticket
Von Gudrun Giese
Das immer beliebter werdende sogenannte Deutschland-Ticket könnte vor dem Aus stehen – oder sich so verteuern, dass es unattraktiv wird. Die Bundesländer wollen jedenfalls nicht mehr Geld für die Finanzierung der Monatskarte herausrücken, die bis Jahresende zum Preis von 58 Euro zu beliebig vielen Fahrten in Bussen und Bahnen des Regional- und Nahverkehrs berechtigt.
Auch im vergangenen Jahr gab es eine längere Hängepartie, bis sich Bund und Länder auf die Fortführung des Angebotes verständigten. Schließlich wurde der Preis um neun Euro heraufgesetzt. Ende des Monats soll bei einer extra anberaumten Verkehrsministerkonferenz zwischen den Fachministern der Länder und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) Einigung über die Finanzierung des Tickets erreicht werden. Vorab zeichnet sich ab, dass zwar alle 16 Bundesländer eine schnelle Entscheidung wünschen, wie eine Umfrage der dpa vom Montag ergab. Doch kommen aus den Landesregierungen unterschiedliche Lösungsideen: So stellen die beiden Verkehrsminister, die Bündnis 90/Die Grünen stellen, die Fortführung der bundesweit geltenden Monatskarte nicht in Frage, wünschen sich aber »einen klaren Finanzierungsrahmen und Planungssicherheit«, so Oliver Krischer, Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, oder kritisieren die »ständigen Diskussionen über die Zukunft des Deutschland-Tickets und seinen Preis« als »kontraproduktiv«, wie der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann bemerkte.
Ganz andere Töne kamen in der vergangenen Woche aus Berlin, wo derzeit massiv in den Bereichen Bildung, Soziales und umweltfreundlicher Nahverkehr gekürzt wird. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) möchte auch kein Deutschland-Ticket mehr haben. Es sei »gut gemeint, aber teuer für den Bund und die Länder«, äußerte er gegenüber dem Handelsblatt. »Solche Wohltaten des Bundes, die dann zu einem großen Teil von den Ländern finanziert werden müssen, können wir uns nicht mehr leisten.« Immerhin ist die Berliner Landeskasse noch so gut gefüllt, dass Anwohnerparken für die symbolische Gebühr von 10,20 Euro pro Auto und Jahr möglich ist, womit nicht einmal die Verwaltungskosten gedeckt werden. Wegner hat aber ohnehin nicht recht: Die bisherige Finanzierungsvereinbarung sieht vor, dass Bund und Länder mit jeweils 1,5 Milliarden Euro die Einnahmeausfälle der Verkehrsbetriebe ausgleichen, die durch das Deutschland-Ticket entstehen, weil es viel günstiger ist als die zuvor geltenden Monatskarten.
Bahnfahren in Regionalzügen und anderen Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist seit der Einführung des Tickets im Mai 2023 sehr populär geworden: Rund 13 Millionen Menschen besitzen es und nutzen es für Fahrten zur Arbeit ebenso wie für Wochenendausflüge oder Urlaubsreisen. Wie stark die Preiserhöhung ab 2026 ausfallen könnte, ist im Moment ebenso offen wie die Frage, ob das Angebot überhaupt fortgeführt wird oder wie die Zuschüsse zwischen Bund und Land aufgeteilt werden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat jedenfalls klargestellt, dass die derzeit bereitgestellten drei Milliarden Euro bald nicht mehr ausreichen werden, um die Verluste der ÖPNV-Betriebe auszugleichen, berichtete dpa.
Spätestens ab 2029 könnte das Deutschland-Ticket deutlich teurer werden, denn CDU/CSU und SPD auf Bundesebene haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zwar zur Fortsetzung des Angebotes über 2025 hinaus bekannt, wollen aber die Nutzerfinanzierung dann »schrittweise und sozialverträglich« erhöhen. Angesichts des Hickhacks zwischen den Ländern sowie zwischen Bund und Ländern ist einer solchen Aussage wenig Bedeutung beizumessen. Fest steht, dass Bundesverkehrsminister Schnieder die Länder aufgefordert hatte, eine gemeinsame Position zur künftigen Finanzierung des Tickets zu entwickeln. Der Bund werde nicht mehr als fünfzig Prozent des Zuschusses tragen. Damit haben die Bundesländer den Schwarzen Peter, denn sie liegen mit ihren Vorstellungen weit auseinander: Sie reichen von Zustimmung zur hälftigen Kostenaufteilung – von Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) – bis zur Forderung, der Bund solle »vorrangig die Finanzierung übernehmen« von Brandenburgs Verkehrsminister Detlef Tabbert (BSW).
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