Beifall für den Angriffskrieg
Von Susann Witt-Stahl
Die israelischen Luftschläge gegen den Iran beflügeln Machtphantasien der transatlantischen Rechten in Deutschland. Die Zielmarke gab am Freitag mittag der zeitweise in Berlin tätige Militärsprecher der israelischen Armee in Reserve vor: »Wir sind an einem Point of no Return«, sagte Arye Sharuz Shalicar dem Internetportal Apollo News und äußerte die Hoffnung, »dass wir diesmal die Arbeit wirklich zu Ende bringen«. So wie im Gazastreifen die Hamas müsse auch die »islamofaschistische Diktatur« zerstört werden.
Anderes als der »Sturz« dieses »gefährlichsten Protagonisten des globalen Antisemitismus« ist auch für Stephan Grigat, aggressiver Iran-Kriegs-Lobbyist mit stattlicher Reichweite, nicht denkbar, wie er in Welt-TV verkündete. Grigat, bis heute Chefideologe der »Antideutschen«, versucht seit vielen Jahren in unzähligen Veröffentlichungen eine Wesensverwandtschaft und Bezüge zwischen dem iranischen Islamismus und dem Vernichtungsantisemitismus Nazideutschlands zu konstruieren und begründet damit seine Forderung nach europäischer Unterstützung Israels »in jeglicher Hinsicht«.
Die Verbrämung von Israels Angriffskriegen zu antifaschistischen Taten konveniert der politischen Kultur einer Berliner Republik, die nicht nur an deutschen Kontinuitäten festhält, sondern diese durch wiedererwachte militärische Großmachtambitionen stärkt. Die ideologisierte Identifikation mit Israel hatte schon der postfaschistischen BRD »zwei aufeinander aufbauende Methoden der deutschen Schuldabwehr« ermöglicht, erklärt der Historiker Daniel Marwecki am Beispiel der von »verdächtigem Enthusiasmus« getragenen Berichterstattung über den 1967er-Krieg. »Zum einen konnte sich die westdeutsche Presse mit den Überlebenden der eigenen Verbrechen identifizieren, wodurch der Täter/Opfer-Gegensatz verwischt wurde. Zum anderen konnte die Rolle der wahren Nazis in diesem Projektionsspiel den arabischen Staaten zugedacht werden.«
Suchte der deutsche Revanchismus damals ein Ventil durch Berauschung an einer »israelischen Wehrmacht«, die dem Spiegel zufolge gegen Ägypten, Syrien und Jordanien »rollte wie Rommel« – heute kämpfen die IDF schon längst für Deutschland. Auch als Vorhut beim Vorstoß in den völkerrechtsfreien Raum: »Durch den Präventivschlag gegen den Iran sind auch wir sicherer geworden«, schwärmt der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter von Netanjahus Israel, das »jetzt die notwendigen Fakten schafft« (auch gegen die »romantische Zweistaatenlösung«). Immerhin verfüge der Iran über Raketen, »die bis nach München oder nach Südostdeutschland reichen« und unterstütze Russland im Krieg gegen die Ukraine. Ob Israels Vorgehen zulässig sei, »müssen andere beurteilen«.
Für deutsche Kriegssirenen ist es in jedem Fall ein guter Anlass, mehr Anarchie zu wagen. Obwohl selbst die US-Geheimdienste in ihrer Bedrohungsanalyse für 2025 davon ausgehen, »dass der Iran keine Atomwaffen baut«: Nico Lange, Militäranalyst der Münchner »Sicherheitskonferenz«, findet es angesichts der nuklearen Bedrohung nicht gut, wenn ständig »niemand bitte etwas machen soll«. Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, hat bei der Bundesregierung, die hier und da auch Israel eine Orientierung an »regelbasierter Ordnung« vorschlägt, eine »inhaltsleere Beidseiteritis« entdeckt und warnt vor »Völkerrechtspositivismus«. Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne mobilisiert gegen »machtpolitische Realitätsflucht« und meint, dass »wir« Israel bei der »Abwehr iranischer Raketenangriffe« helfen müssen. Die Neocon-Denkfabrik Mideast Freedom Forum Berlin verlangt eine »effektive Bekämpfung« iranischer Netzwerke in Deutschland – deren Zugehörigkeit in der behördlichen Praxis ohnehin längst so gut wie alle migrantischen Gegner israelischer Politik aus muslimisch geprägten Regionen verdächtigt werden. Deutschland möge sich ein Beispiel an Israel nehmen, denn mit »Endzeitislamisten« könne man nicht verhandeln, sekundiert Nius-Chefredakteur Julian Reichelt. »Schon gar nicht über ›Nie wieder‹«!
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