Pistorius legt nach
Von Kristian Stemmler
Die Reihe der öffentlich abgefeuerten Schmähungen reißt nicht ab. Das am Mittwoch von SPD-Politikern publizierte Friedensmanifest erntete auch am dritten Tag in Folge Widerspruch. Die rund 100 Erstunterzeichner um den früheren SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und den SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner werden in Leitartikeln der Bürgerpresse wahlweise als »naiv«, »realitätsfern« oder »kremlnah« beschimpft. Mützenich wiederum hat am Freitag gegenüber der Rheinischen Post den Tonfall kritisiert. »Manche Vorhaltungen und manche Verkürzungen bis hinein in meine Partei« hätten ihn »schon geschmerzt«. So sei behauptet worden, er sei »blauäugig« und darauf verwiesen worden, dass er im Bonner Hofgarten – 1981 Schauplatz einer großen Friedensdemonstration – stehengeblieben sei. Schließlich der Hinweis, dass Mützenich »ins Bündnis Sahra Wagenknecht gehen könnte«.
In dem Papier werden unter anderem Gespräche mit Russland sowie neue Verhandlungen über Rüstungsbegrenzung und -kontrolle gefordert. Die Stationierung von US-amerikanischen Mittelstreckenraketen auf dem Gebiet der BRD wird abgelehnt. Mützenich betonte, das Manifest sei als innerparteilicher Debattenbeitrag gedacht, und forderte »einen respektvollen Umgang mit den Unterzeichnern«. Er nenne »Befürworter von massiver Aufrüstung auch nicht Kriegstreiber«. Sein Ziel sei es nicht, »ein Stachel im Fleisch der SPD oder der Koalition zu sein«. Er wolle aber die Standpunkte, für die er bereits sein ganzes Leben ringe, »weiterhin einbringen«.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der die Manifest-Autoren am Mittwoch der »Realitätsverweigerung« bezichtigt hatte, legte am Donnerstag abend in den ARD-»Tagesthemen« nach. Ihm fehle »jedes Verständnis« für diejenigen, die aus seiner Sicht mutwillig »die Ursache und Wirkung« miteinander verwechseln. Er wolle auf dem zum Monatsende geplanten SPD-Bundesparteitag die direkte Auseinandersetzung mit den Unterstützern des Papiers suchen, drohte Pistorius. Damit, dass der Parteitag einen friedenspolitischen Kurswechsel in der SPD einleite, rechne er nicht. Der Minister sei da »sehr entspannt« und habe »großes Zutrauen in den Teil der Partei«, der dem Koalitionsvertrag mit über 80 Prozent zugestimmt habe, wie er im ZDF erklärte. Der im Manifest kritisierte Kurs sei im Vertrag festgeschrieben.
Auch SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner forderte eine Debatte dazu auf dem Parteitag. »Wenn wir als SPD nicht Richtung zehn Prozent rutschen wollen, müssen wir darüber diskutieren, wie wir uns für Frieden und Abrüstung einsetzen«, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Freitag. Ein Grund für das historisch schlechte Wahlergebnis sei, dass AfD und BSW Stimmen mit den Themen Migration und Friedenspolitik gewonnen hätten. Diese habe die SPD »den Populisten kampflos überlassen«, sagte Stegner.
Auf die Bremse trat am Freitag dagegen Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er verstehe die Aufregung um das Papier nicht und halte »die ganze Diskussion für übertrieben«, sagte Woidke. »Ich sehe, dass hier Menschen eine andere Meinung haben als andere Menschen«; das passiere in der Gesellschaft, und »das passiert auch innerhalb der SPD«, sagte Woidke.
Derweil bleibt die Hand des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei Richtung SPD-Minderheit ausgestreckt. Den Manifest-Politikern »schlage ich vor, dass wir gemeinsam beraten, wie wir diesen Antrag aktualisieren und neu in den Bundestag einbringen können«, teilte Sören Pellmann am Freitag mit Blick auf einen Antrag der Linke-Gruppe aus der zurückliegenden Legislaturperiode zur geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen mit. Sein Fraktionskollege Gregor Gysi erhöhte den Einsatz in derselben Mitteilung und schlug eine gemeinsame Konferenz vor.
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