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Aus: Ausgabe vom 14.06.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
»Veteranentag« am 15. Juni

Rummel in Flecktarn

Erster »Veteranengedenktag«: Regierung will Annäherung zwischen Soldaten und Zivilisten vorantreiben
Von Max Ongsiek
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Könnten auch bald Veteranen sein: Angehörige des Heimatschutzregiments 1 bei einer Bundeswehr-Übung (29.4.2024)

In der Hochphase des deutschen Militarismus, unter Kaiser und »Führer«, galten besonders altgediente Soldaten – Veteranen – als Heroen. Vorzeigedeutsche in einer Gesellschaft, die das eigene Militär verehrte und überhöhte sowie den Krieg als »reinigendes Stahlbad« verherrlichte. In Zeiten kontinuierlicher Aufrüstung und bellizistischer Staatspropaganda findet am Sonntag nun der erste »Nationale Veteranentag« der BRD statt.

Das dafür gewählte Datum des 15. Juni geht auf einen Beschluss des Bundestages zurück, der im April mit großer Parlamentsmehrheit von den damaligen Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der Unionsfraktion verabschiedet wurde. Ein »überfälliges Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung«, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) damals im Plenum. Wie die Bundeswehr vorab informiert, soll mit einem Fest am Reichstagsgebäude in Berlin und den bundesweit 131 Veranstaltungen die »Leistungen aktiver und ehemaliger Soldatinnen und Soldaten für die Gesellschaft gewürdigt« werden. Die Bandbreite reicht von Empfängen, Familien- und Sommerfesten, Konzerten, Gedenkmärschen sowie Militärparaden und Gelöbnissen.

Die offizielle Internetseite Veteranentag.gov.de präsentiert sich bunt, divers und möglichst zivil, denn: »Die Großveranstaltung am Reichstagsgebäude in Berlin mit dem Veteranendorf, bekannten Showacts, Kinderbereich und Foodtrucks«, soll ein »breites Publikum«, also »Angehörige der Bundeswehr als auch Bürgerinnen und Bürger ohne eigenen Bezug zu den Streitkräften« ansprechen. Verkauft wird der Veteranentag als Veranstaltung, bei der es um die »Annäherung zwischen der Bevölkerung und den Veteraninnen und Veteranen geht«, »um eine Kultur der Wertschätzung« und um »Stärkung eines Wirgefühls« in der Gesellschaft.

Laut Definition des Bundesministeriums der Verteidigung gelten als »Veteranin oder Veteran der Bundeswehr« alle, die »im aktiven Dienst« stehen oder »ehrenhaft« aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sind, den Dienstgrad also nicht verloren haben. Nach dieser Definition zählt die BRD rund zehn Millionen Veteraninnen und Veteranen. Bevor der Begriff auf diese Gruppe erweitert wurde, war darüber lange debattiert worden, von Parteivertretern, von Bundeswehr- und Reservistenverband. So hatte 2012 der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sich dafür ausgesprochen, nur ehemalige Bundeswehrsoldaten mit »Einsatzerfahrung« als Veteranen gelten zu lassen. De Maizière war für die Einführung eines »Veteranentags«.

Die Erfüllung dieses langgehegten Wunsches der Militärlobby »sehen wir im Kontext der ›Zeitenwende‹ als politisch und patriotisch motiviert an«, erklärte Donata Vogtschmidt, Linke-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Verteidigungsausschusses, am Freitag auf jW-Anfrage. Es sei außerdem ein Versuch, die »geistige Mobilmachung unserer Gesellschaft voranzutreiben«.

Die Bundeswehr wird nicht müde, ihre Probleme zu betonen, um mehr Ressourcen bewilligt zu bekommen. So gibt es das »Sondervermögen« von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung, aber es fehlen Soldaten. Die Behauptung von Verteidigungsministerium, Militärs und »Experten«, Russland könne die NATO-Kriegsallianz ab 2029 angreifen, ermöglicht es der Bundesregierung, sich unter Zugzwang darzustellen. So erklärte der im März veröffentlichte Bericht der damaligen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD): »Von den im Jahr 2023 angetretenen 18.810 Soldatinnen und Soldaten haben 5.100 (27 Prozent) die Bundeswehr wieder verlassen.« Der hohe Anteil derjenigen, die den Dienst noch während der Probezeit abbrechen, bleibe weiterhin äußerst problematisch, heißt es weiter.

Während für den Veteranentag bereits ordentlich die Werbetrommel gerührt wird, bereitet Minister Pistorius die Wiedereinführung der Wehrpflicht gesetzlich vor. So soll laut Handelsblatt vom Donnerstag unter Berufung auf Regierungskreise ein entsprechender Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst nach schwedischem Vorbild vom Ministerium im Sommer ins Kabinett eingebracht werden. Pistorius zufolge braucht die Bundeswehr noch 50.000 bis 60.000 zusätzliche Soldaten.

Hintergrund: 13 Jahre Lobbyarbeit

Im Archivbestand der Nachrichtenagentur dpa taucht die Debatte zur Einführung eines »Veteranentags« für Bundeswehr-Soldaten erstmals Anfang 2012 auf. Am 16. Februar hat der Vorsitzende der Lobbyorganisation namens Bundeswehrverband, Ulrich Kirsch, erfreut auf einen entsprechenden Vorstoß des damaligen Verteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) reagiert. »Er bekommt auf diesem Weg alle Unterstützung«, die der Minister brauche, versprach Kirsch. Zuvor hatte der CDU-Politiker auf einer USA-Reise die Einführung eines staatlichen Gedenktags für Bundeswehr-Veteranen angeregt. Schon damals das erklärte Ziel: die gesellschaftliche Anerkennung »der deutschen Soldaten zu stärken«.

Ursprünglich dachte de Maizière an den Volkstrauertag, der in der BRD seit 1952 am vorletzten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag begangen wird. Ob 2012 noch die »Tradition« der Wehrmacht im Kopf des Offizierssohns spukte, bleibt unklar. Die Nazis hatten den Tag 1934 in »Heldengedenktag« umbenannt, mit dem »Helden« der NSDAP und der Wehrmacht geehrt werden sollten. Vor diesem Hintergrund bezeichnete der damalige verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, den Minister-Vorschlag ebenfalls am 16. Februar 2012 als »völlig verfehlt«. Der Sozialdemokrat hatte sich für ein »Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr« anstelle einer »Symbolpolitik« ausgesprochen.

Der 2019 verstorbene Wortkünstler Wiglaf Droste merkte dazu in der Ausgabe dieser Zeitung vom 21. Februar 2012 an: »Ein ›Veteranentag‹ für deutsche Soldaten ist so plausibel wie die Stiftung eines Landser-Literaturpreises.«

Marc Bebenroth

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