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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 10 / Feuilleton
Musik

Über Standesgrenzen hinweg

Voltaire-Preis an den Komponisten Anselm Breuer in Mainz verliehen
Von Rüdiger Göbel
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Voltaire: »Tanis et Zélide« (Jean Dambrun, 1785)

Die Voltaire-Stiftung hat an Pfingsten in Mainz erstmals den mit 7.000 Euro dotierten Voltaire-Preis verliehen. Ausgezeichnet wurde Anselm Breuer (45) für die Komposition der Oper »Tanis et Zélide« mit Voltaires bisher nicht vertontem Libretto aus dem Jahr 1733. Die Musik steht in der Tradition des Barock. Auszüge aus der neuen Oper, im Rahmen der Preisverleihung präsentiert von Paula Müller (Sopran), David Schläger (Tenor) und Seung-Jo Cha (Cembalo), begeisterten das Publikum ob der Virtuosität und großen Harmonie. Breuer arbeitet mit Hochdruck am Abschluss der Komposition des fünf Akte umfassenden Stücks. Die Handlung spielt in Ägypten und thematisiert die sich über Standesgrenzen hinwegsetzende Liebe der Pharaonentochter Zélide zu dem Hirten Tanis, dem Paar kommen die Götter Isis und Osiris gegen machtgierige Magier aus Memphis und den in Zélide ebenfalls verliebten Krieger Phanor zu Hilfe.

Voltaires Libretto erschien fünfzig Jahre nach seiner Entstehung und wurde bisher weder vertont noch aufgeführt. Breuer arbeitet seit März 2024 an der Komposition des Textes und hat die Ouvertüre und erste Szenen fertiggestellt. Im Herbst 2026 soll die Oper in Mainz uraufgeführt werden.

Die Voltaire-Stiftung mit Sitz in Bad Liebenwerda ist eine gemeinnützig. Sie verfolgt den Zweck, das Leben und die Werke Voltaires in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Sie möchte zu einer kulturellen Verständigung in Europa beitragen, die auf den Werten der Aufklärung aufbaut und dazu anregen, dieses eng mit dem Werk Voltaires verbundene kulturelle Erbe zu bewahren und weiterzuentwickeln. Die Stiftung hat die Übersetzung und Herausgabe des »Philosophischen Taschenwörterbuchs« von Voltaire im Reclam-Verlag ermöglicht. Die »Kampfschrift« des Antiklerikalen ist eine Abrechnung mit Dummheit, Fanatismus, Borniertheit und Intoleranz. In 73 Stichwörtern kann man von Voltaire lernen, was eine kritische, undogmatische Geisteshaltung ausmacht.

Ziel des neu geschaffenen Voltaire-Preises ist, Projekte der Literatur, Musik, darstellenden oder bildenden Kunst zu unterstützen, die in herausragender Weise dazu beitragen, das Werk und die Positionen des berühmten französischen Dichters der Aufklärung in Deutschland lebendig zu halten. Mit Anselm Breuer sei ein herausragender, Maßstäbe setzender erster Preisträger gefunden worden, so der Stiftungsvorsitzende Rainer Bauer in seiner Laudatio in der Vitrine-Galerie unweit des Mainzer Doms. Im vergangenen September war in der Augustinerkirche unter der Schirmherrschaft des Mainzer Bischofs bereits die von Breuer komponierte Voltaire-Oper »Samson« uraufgeführt worden. Voltaire geht es in dem Stück um Wahrheit und Freiheit, aber auch um die Kritik an kirchlicher Intoleranz.

Breuer erfüllte mit seiner Arbeit »ein Stück der Aufklärung mit Leben, das uns im 21. Jahrhundert wie ein Gruß aus besseren Zeiten erscheint, indem das friedliebende Volk gegen eine bösartige und unterdrückerische Obrigkeit triumphiert«, so Bauer. »Wir sind sehr gespannt auf Ihre Musik, den Donner, die Blitze, die Tänze, die Liebesarien – wie schön, sich das alsbald vertont und gesungen anhören zu dürfen!«

Für die Präsentation von »Tanis et Zélide« mit großem Orchester und Chor hat der Komponist eine Crowdfunding-Kampagne gestartet: https://www.startnext.com/tanis-et-zelide

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  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (13. Juni 2025 um 11:57 Uhr)
    »Ausgezeichnet wurde Anselm Breuer (45) für die Komposition der Oper ›Tanis et Zélide‹ mit Voltaires bisher nicht vertontem Libretto aus dem Jahr 1733.« Später erfährt der geneigte Leser: »Breuer arbeitet seit März 2024 an der Komposition des Textes und hat die Ouvertüre und erste Szenen fertiggestellt. Im Herbst 2026 soll die Oper in Mainz uraufgeführt werden.« »›Wir sind sehr gespannt auf Ihre Musik, den Donner, die Blitze, die Tänze, die Liebesarien – wie schön, sich das alsbald vertont und gesungen anhören zu dürfen!‹« Und ich bin unglaublich gespannt zu erfahren, mit welchen Kontakten es ein Komponist erreicht, dass eine Oper ausgezeichnet wird, die weder zu Ende komponiert noch gespielt wurde. Verdi oder Tschaikowski wären vor Neid erblasst. Doch da scheint nur die Formulierung verunglückt zu sein, was da genau prämiert wird, nämlich nicht diese Oper, sondern das Bemühen für die Popularisierung des Erbes von Voltaire, denn später erfährt man: »Ziel des neu geschaffenen Voltaire-Preises ist, Projekte der Literatur, Musik, darstellenden oder bildenden Kunst zu unterstützen, die in herausragender Weise dazu beitragen, das Werk und die Positionen des berühmten französischen Dichters der Aufklärung in Deutschland lebendig zu halten.« Eine Oper zu komponieren, stellt für einen Komponisten einen enormen Kraft- und Zeitaufwand dar. Und die im Vergleich dazu bescheidene Summe von 7000 Euro ist da im vorliegenden Fall sicher nur ein Unkostenbeitrag, wenn jemand Jahre an einem Stück schreibt. Es wäre daher klüger gewesen, Anselm Breuer für sein bisheriges Schaffen, z. B. für die bereits gespielte Voltaire -Oper den Preis zu verliehen. Das hier ist jedenfalls nichts weiter als eine simple Projektförderung mit ungewissem Ausgang, denn nicht alle Opern selbst der größten Komponisten konnten sich durchsetzen.

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