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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 8 / Inland
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Verein »Jüdische Stimme« protestiert gegen Einstufung als »gesichert extremistisch« im Verfassungsschutzbericht

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Unterstützer der »Jüdischen Stimme« auf einer Solidaritätskundgebung für Palästina am 15. Juni 2024 in Berlin

Die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V.« kommentierte am Donnerstag ihre Einstufung als »gesichert extremistisch« durch den deutschen Inlandsgeheimdienst:

Als im Jahr 2003 das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei NPD scheiterte, lag es daran, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz durch seine Informanten so tief in rechte Aktivitäten verwickelt war, dass es im Endeffekt Teile der Nazi-Szene finanzierte. Zwischen 2007 und 2013 beobachtete der Verfassungsschutz mehrere Abgeordnete der Linkspartei. Obwohl die Nennung der rechten Zeitung Junge Freiheit im jährlichen Verfassungsschutzbericht 2005 gerichtlich verhindert wurde, wird die linke Zeitung junge Welt seit 1998 im Bericht erwähnt, was zu wesentlichen wirtschaftlichen Einschränkungen führt. Hans-Georg Maaßen, der von 2012 bis 2018 Präsident des Amts war und inzwischen als Vorsitzender der Kleinpartei Werteunion bekannt ist, hatte in der letzten Phase seiner Amtszeit als VS-Präsident regelmäßige Treffen mit der AfD-Führung (…).

Es gäbe noch viel mehr zu sagen, auch über die Ursprünge des Verfassungsschutzes; das ist jedenfalls die Organisation, die jetzt im Bericht für 2024 die Jüdische Stimme, BDS Berlin und BDS Bonn als »gesichert extremistisch« eingestuft und viele andere Gruppen aus der Palästina-Solidaritätsbewegung, besonders »Palästina Spricht«, dem Extremismus allgemein zugeordnet hat. Dies sendet eine deutliche Botschaft: Wer für die Rechte der Palästinenser:innen kämpft, für Gerechtigkeit und Gleichheit, wird von den Behörden verfolgt. Es ist nur konsequent: In einem Staat, der den Genozid in Gaza und das ganze System der Apartheid, Unterdrückung und Vertreibung im gesamten Gebiet des historischen Palästina materiell und politisch mitträgt, ist es per definitionem staatsfeindlich, eine solche Position einzunehmen. (…) Die »deutsche Staatsräson«, die Doktrin der bedingungslosen Unterstützung Israels, die inzwischen von 80 Prozent der Bevölkerung Deutschlands abgelehnt wird, rechtfertigt alles. (…)

Insofern verwundert es nicht, dass diese Staatsräson, die den Rassismus gegen Migrant:innen braucht und befeuert, auch jüdische Menschen und Vereine treffen kann, obwohl der »Kampf gegen Antisemitismus« zu seinen wichtigsten Waffen gehört. Die Fortführung der wirtschaftlich und geopolitisch wichtigen Partnerschaft mit Israel erfordert die Entmenschlichung der Palästinenser:innen, und der Staat geht immer aggressiver gegen alle vor, die dies ablehnen – in erster Linie die rassifizierten Menschen selbst, aber auch diejenigen, die sich mit ihnen solidarisch erklären. Und wo Judentum durch Zionismus ersetzt wird, können auch Nichtjuden bestimmen, wer als jüdisch gilt. Das hat in Deutschland bekanntlich Tradition.

Somit dürfte klar sein, dass diese Einstufung mehr über den deutschen Staat und seine Handlanger aussagt als über uns und unsere Verbündeten. Wir führen unsere Arbeit weiter in der Gewissheit, dass die Geschichte erneut ein vernichtendes Urteil über dieses Land fällen wird, und werden außerdem rechtliche Schritte unternehmen, um unsere Nennung im Verfassungsschutzbericht rückgängig zu machen. Leider ist der berühmte Ausspruch von Rosa Luxemburg wahrer denn je: »Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat.«

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