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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 5 / Inland
Ökonomische Entwicklung

Nach der Flaute Böen

Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren leichten Aufschwung – DGB wünscht »Konjunkturbooster« für Binnennachfrage
Von Oliver Rast
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Bau auf, Bau auf: Berufene Prognostiker orakeln ein bisschen Aufwind (Hamburg, 4.6.2025)

Das sind schon besonders Berufene: die Prognostiker, die Analysten. Zuvorderst die, die konjunkturelle Entwicklung einer Volkswirtschaft vorhersagen, (v)erklären. Am Donnerstag verkündeten gleich drei Forschungsinstitute ihre aktuellen Prognosen für die deutsche Wirtschaft. Nach mehr als zwei Jahren mit schwachem Wachstum sende sie »wieder positive Signale«, berichtete das Handelsblatt in seiner Onlineausgabe gleichentags.

Demnach erhöhten das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Essener Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Ifo-Institut aus München allesamt ihre Konjunkturprognosen, folglich könnten Stagnation und Abwärtstrend in diesem Jahr enden. Kurz zur Wetterlage: Nach der Flaute könnte es leicht böig werden.

Das prognostische Zahlenwerk im einzelnen: Das IfW rechnet nun mit etwas höheren Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,3 Prozent für das laufende Jahr (Frühjahrsprognose: 0 Prozent) und 1,6 Prozent im Jahr 2026 (Frühjahrsprognose: 1,5 Prozent).

Das reale BIP stieg im ersten Quartal »kräftig um 0,4 Prozent, hauptsächlich aufgrund von Vorzieheffekten bei den Exporten in die USA, und dürfte im Jahresdurchschnitt um 0,3 Prozent zulegen«, teilten die Forscher vom RWI am Donnerstag mit. Für das Jahr 2026 erwarten sie ein Wachstum von 1,5 Prozent, das vor allem durch verstärkte öffentliche Investitionen getragen werde.

Ähnlich orakelt das Ifo-Institut. Die Wirtschaft in der BRD soll im laufenden Jahr um 0,3 Prozent und 2026 um 1,5 Prozent wachsen. Gegenüber der Frühjahrsprognose wurden die Wachstumsraten um 0,1 bzw. 0,7 Prozentpunkte angehoben. »Die Krise der deutschen Wirtschaft hat im Winterhalbjahr ihren Tiefpunkt erreicht«, wurde Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser in einer Mitteilung zitiert.

Stefan Kooths attestiert dies. Speziell sind dabei die Sprachbilder des Konjunkturchefs des IfW. Die Klangfarbe im Original: »Die Frühindikatoren bestätigen unsere Einschätzung, dass die Industrie nach zweijähriger Talfahrt nun – auf niedrigem Niveau – ihren Boden gefunden hat.« Oder: »Die gesamtwirtschaftlich nun wieder aufwärts gerichtete Entwicklung ist im wesentlichen binnenwirtschaftlich getragen.« So steige der private Konsum nach zweijähriger Durststrecke wieder merklicher an, »und auch die Unternehmensinvestitionen drehen nach und nach ins Plus.«

Aber, Obacht! Mancherorts lauern Handelsrisiken. »Die erratische Zollpolitik der Vereinigten Staaten erhöht weiterhin die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft«, weiß IfW-Präsident Moritz Schularick. Ohne den Handelskonflikt würde das Wachstum in Deutschland im laufenden Jahr 0,1 Prozentpunkte und im kommenden Jahr 0,3 Prozentpunkte höher ausfallen, mutmaßt das Ifo-Institut. Ein weiteres Aber: »Bei einer Eskalation könnte eine erneute Rezession drohen.«

Was könnte ein »Konjunkturbooster« im Inland sein? Ein Mindestlohn von 15 Euro. Möglichst rasch, fordert der DGB. Deren Chefin Yasmin Fahimi sagte jüngst dpa: »Wir müssen in Deutschland endlich die Menschen in den Blick nehmen, die trotz Arbeit wenig Einkommen haben – manchmal zu wenig, um davon zu leben.« Alte Regel: mehr in der Lohntüte, mehr Binnennachfrage.

Und noch etwas wünscht Fahimi: Wenn die Bundesregierung schnell bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen schaffe, »ist das richtig.« Klar, Steuergeschenke nach dem »Prinzip Gießkanne« sollten es nicht sein. Stattdessen pochte die Gewerkschaftsvorsitzende auf Entlastungen für private Haushalte und die finanzielle Stärkung der Kommunen.

Davon unabhängig: Dann schauen wir gebannt auf die nächste Vorausschau der berufenen Prognostiker.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (13. Juni 2025 um 09:04 Uhr)
    Ein prägendes Element all dieser überaus weisen Prognosen gerät immer wieder aus dem Blickfeld: Die verwendeten Modelle rechnen fleißig. Aber sie rechnen lediglich mit den Daten vorher getroffener Annahmen. Und da ist es dann nicht verwunderlich, wenn am Ende stundenlangen Rechnens Wachstum herauskommt, wenn man bei seinen vorherigen Annahmen von Wachstum ausgegangen ist. Über viele so zustande gekommener Prognosen darf man ruhig lächelnd hinweggehen. Viel besser als ein Blick in die Glaskugel oder auf den Grund einer Kaffeetasse sind sie nämlich meist nicht. Oder kann sich jemand erinnern, wann das letzte Mal eine der Krisen treffend vorausgesagt wurde, die unser Leben seit mindestens zwei Jahrzehnten permanent begleiten?

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