Erquälter Sieg
Von Reinhard Lauterbach
In der Vertrauensabstimmung des polnischen Parlaments hat Ministerpräsident Donald Tusk am Mittwoch die erwartbare Mehrheit erhalten. Nach einer einstündigen Regierungserklärung und einer daran anschließenden fast sechsstündigen »Fragestunde« stimmten in der Abstimmung 243 Abgeordnete für Tusk als Regierungschef, 210 gegen ihn.
Tusk hatte die Vertrauensfrage nach der Wahl des rechtsgerichteten Nawrocki zum polnischen Präsidenten gestellt. Seine Erklärung richtete sich faktisch und rhetorisch an die eigenen Reihen. Er versuchte seinen Anhängern Mut zuzusprechen. Selbst die normalerweise eisern hinter dem Premier stehende Gazeta Wyborcza urteilte nach der Regierungserklärung, jetzt stünden Polen zwei Jahre der »Fäulnis« bevor. Denn Tusk vermied jede Selbstkritik, welche Fehler zu der Niederlage in der Präsidentschaftswahl beigetragen haben könnten. Statt dessen klagte er darüber, dass die Medien die Arbeit der Koalition schlechtgemacht hätten, und er malte erneut in den schwärzesten Farben aus, wozu eine Rückkehr der rechten Opposition an die Macht führen würde. Das werde er nicht zulassen, gelobte Tusk – womit er auch alle Hoffnungen in Hinterzimmern und Redaktionen begrub, er könnte sich freiwillig zurückziehen und so den Weg für einen Neuanfang der Koalition freimachen.
Die anschließende »Fragestunde« bestand aus insgesamt 280 auf jeweils eine Minute beschränkten Stellungnahmen von Abgeordneten. Inhaltlich brachte die Runde nichts Neues. Die Beiträge reichten von Unterwerfungsgesten über kleinteilige Beschwerden im Stile von »Was haben Sie für den polnischen Tennissport getan?« bis zu Drohungen aus der PiS, Tusk möge sich schon einmal einen Asylort in Deutschland aussuchen, denn nach deren Wahlsieg sei sein Platz im Gefängnis.
In seiner Antwort auf die Fragen warf Tusk der PiS vor, systematisch zu lügen. Er kündigte an, es sei »sehr wahrscheinlich«, dass Polen noch im Laufe des Sommers ebenfalls »teilweise« Kontrollen an der Grenze zur BRD einführen werde. Praktisch dürfte dies auf Racial Profiling hinauslaufen, wie es die Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze jetzt auch vornimmt.
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