Mit Frieden auf Kriegsfuß
Von Niki Uhlmann
Glaubt man Umfragen, dann heißt das Flaggschiff der SPD Boris Pistorius. Der steht als Bundesverteidigungsminister wie kein zweiter für die Militarisierung der Bundesrepublik im Namen einer gegen Russland gerichteten »Kriegstüchtigkeit« – und ist angeblich wahnsinnig »beliebt«. Die volkswirtschaftlich ruinöse Sanktionierung Russlands und den Sozialabbau zugunsten von Aufrüstung wollen aber nicht einmal alle Sozialdemokraten mittragen. Am Mittwoch haben kritische SPDler ein Manifest mit dem Titel »Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung« veröffentlicht.
In Deutschland und der EU hätten sich »Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und Hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen«, heißt es darin. Unterschrieben haben unter anderen der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der ehemalige Fraktionschef Rolf Mützenich, der Exparteichef Norbert Walter-Borjans und der ehemalige Finanzminister Hans Eichel. Für Empörung sorgte das vor allem bei den Grünen. Agnieszka Brugger, ihre Vizefraktionschefin im Bundestag, warf den Unterzeichnern vor, zu den »üblichen Verdächtigen« zu zählen, die »bei der Postenvergabe in der SPD leer ausgegangen« seien. Die SPD-Spitze müsse sich distanzieren und »dafür sorgen, dass unsere Sicherheit gewahrt bleibt«. Der EU-Parlamentsabgeordnete Sergey Lagodinsky wütete gegen den »Rückfall in sicherheitspolitische Irrtümer vergangener Jahrzehnte«.
In dem Manifest heißt es, allenthalben werde ein »angeblich drohender Krieg« beschworen und ein »Zwang zu immer mehr Rüstung« daraus abgeleitet. Erinnert wird an den Kalten Krieg und den drohenden »nuklearen Abgrund«, der nur durch das »Zusammendenken von Verteidigungs- und Abrüstungspolitik« im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa abgewendet worden sei. Die »Prinzipien von Helsinki« seien aber längst untergraben worden, lang vor dem Krieg in der Ukraine durch jene der NATO im Kosovo oder Irak.
Europa müsse eine »Friedenspolitik mit dem Ziel gemeinsamer Sicherheit« betreiben, schlussfolgern die Unterzeichner. Das setze aber eine »verteidigungsfähige Bundeswehr« sowie »sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas« voraus. Nur solle auch »Deeskalation« und »Vertrauensbildung« betrieben werden, konkreter: mit Russland gesprochen, »defensive Ausstattung« zwar angeschafft, aber mit »Armutsbekämpfung« und »Klimaschutz« vor allem soziale Sicherheit finanziert werden. Brugger: »Wunschdenken!«
Auf dem Bundesparteitag der SPD werde das Manifest »keine Mehrheit« finden, beruhigte sofort der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, gegenüber AFP. Dort soll ein neues Grundsatzprogramm angestoßen werden, von dem die Manifestunterzeichner offenbar befürchten, dass es die wenigen verbliebenen, ernsthaft sozialen und diplomatischen Grundsätze der SPD streichen könnte. »Die SPD muss Teil der Friedensbewegung bleiben«, warnte Stegner mit Blick auch auf die Wehrpflicht im Stern. Nur fünf von 120 SPD-Bundestagsabgeordneten hätten unterzeichnet, die »außen- und sicherheitspolitische Neuausrichtung« der SPD bleibe klar, gab sich Ahmetovic siegessicher. Tatsächlich darf bezweifelt werden, dass die Sozialdemokratie künftig mehr sein wird als ein williger Juniorpartner der CDU. Dazu bräuchte es mehr als Manifeste.
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