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Aus: Ausgabe vom 11.06.2025, Seite 16 / Sport
Tischtennis

Hol’s noch einmal, Tanja

»TT-Finals«: Schöne und weniger schöne Eindrücke von den deutschen Tischtennismeisterschaften in Erfurt
Von René Hamann, Erfurt
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Augenfällig: Tanja Krämer holt den Altersrekord im Normalbetrieb (Erfurt, 8.6.2025)

Die Damen tragen Zopf. Die jungen Damen in jedem Fall. Man sah sie überall in den Messehallen von Erfurt, in denen über das lange Pfingstwochenende die deutschen Meisterschaften im Tischtennis ausgetragen wurden, modisch »­TT-Finals« genannt. 2.500 Aktive hatten sich eingefunden, dazu insgesamt etwa 8.000 zahlende Zuschauer, spielende junge Damen aber erkannte man an den Zöpfen auf den ersten Blick.

Tanja Krämer aus Höhfröschen war da eine augenfällige Ausnahme: Mit luftschnittigem Kurzhaarschnitt konnte die heute 45jährige deutsche Meisterin von 2008 an der Seite des Kölners Tobias Hippler das Finale im Mixed gewinnen. Womit sie sich nicht nur als künftiges Role Model empfahl, sondern auch die älteste deutsche Meisterin aller Zeiten ist, Herren inklusive.

Jedenfalls, was den Normalbetrieb betrifft. Denn in Erfurt waren ja auch die ganz Alten und die ganz Jungen vertreten. Eine Unzahl von Wettbewerben in einer Unzahl von Altersstufen wurden über die Pfingsttage ausgetragen. Übersicht konnte selbst die hübsche Webseite des Finals nicht liefern, geschweige denn die zahlenlastige, dabei simple Seite des Deutschen Tischtennisbundes (DTTB).

Apropos Zahlen: Annette Kaufmann, das Gesicht des Turniers, räumte den Einzeltitel ab. Sie gewann ein hitziges Finale gegen Sabine Winter mit 4:1 Sätzen. Winter ihrerseits schaffte es, 15 Jahre nach dem letzten gemeinsamen Titel mit Kathrin Mühlbach, das Ding noch mal zu holen. Sie gewannen ihr Doppel gegen Josephina Neumann und Koharu Itagaki knapp mit 3:2. Den Titel bei den Herren sicherte sich Kay Stumper im Finale gegen Fan Bo Meng nach sieben Sätzen. Das Männerdoppel gewannen Wim Verdonschot und Andre Bertelsmeier gegen Matthias Danzer und Alexander Flemming klar mit 3:0.

Torben Wosik, 51 Jahre jung, die Generation von Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf, war ein Titel nicht vergönnt. Im Doppel kam der Meister von 1999 und 2008 mit Kirill Fadeev immerhin ins Halbfinale. Timo Boll wird sich in seinem Camper zurückgelehnt haben – bei den Männern stellt er mit 37 immer noch den Altersrekord. An eine Meisterschaft ohne Boll wird man sich gewöhnen müssen. Wohl auch an eine ohne Dimitrij Ovtcharov, der wegen Nackenbeschwerden absagte. Dass auch andere bekannte Namen wie Titelverteidiger Benedikt Duda oder Patrick Franziska fehlten, stieß sauer auf. Eine neue Strategie des DTTB – die Etablierten schonen, den Jungen eine Chance? Nein, wohl eher eine Priorisierung seitens der Topspieler. Deutsche Meisterschaften rangieren für die Stars niedrig. Denn die Anzahl der internationalen Turniere nimmt zu. Dazu kommen die Vereinsmeisterschaften. Die ebenfalls ein Auslaufmodell sein könnten – doch vorerst sei da noch Fan Zhendong vor, der Sensationswechsel aus Saarbrücken.

Zum Schluss noch Stilkritik. Neben der wie erwähnt schönen Website und der nicht so schönen Ergebnisseite fiel auf, dass es weder möglich war, irgendwo auf dem Messegelände das Spiel der Fußballnationalmannschaft in der Nations League zu gucken, noch ein Tischtennisnationaltrikot zu ergattern. Kein Wunder, denn DTTB-Ausrüster Butterfly fehlte ebenso wie Firmen Joola, Stiga oder DHS. Dass die meisten Mädchen und Jungen in eher hässlichen Sportoutfits herumrennen, liegt an den Ausrüstern – der Sonderpreis für das schönste Trikotdesign sei hiermit der Firma Xiom verliehen.

Ansonsten war es hübsch in Erfurt. Es ist eine tatsächlich schöne Stadt. Aber das wissen Sie vermutlich schon.

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