Festspiel auf dem Feld
Von Bernard Schmid, Montargis
Ein Jahr nach dem starken Abschneiden bei der EU-Wahl, welches das Ende der nationalen Regierung Emmanuel Macrons bedeuten sollte, feierte die französische Rechte sich selbst. Aus mehreren Ecken Europas sind dazu am Pfingstmontag Anhänger zusammengekommen, als wollten sie beweisen, dass sich die Reaktion in Frankreich nach wie vor auf der Siegerstraße befinde – und dass sie sich international gut vernetzt hat. Laut eigenen Angaben versammelten sich dazu 5.000 Menschen auf einem Feld einige Kilometer entfernt von der Stadt Montargis in der nördlichen Region Centre-Val de Loire.
Die extreme Rechte hatte an jenem 9. Juni 2024 mit 31,4 Prozent für den Rassemblement National (RN) zuzüglich 5,5 Prozent für die Partei Reconquête! (R!) von Eric Zemmour und ein weiteres Prozent für kleinere Listen mit Ergebnissen auf Rekordniveau abgeschnitten. Dennoch verlor die französische extreme Rechte vier Wochen später die nationale Parlamentswahl, die der neoliberale Präsident Macron vorzeitig provoziert hatte. Der Grund: ein kurzfristig zustande gekommenes Linksbündnis.
Offen ist auch die nähere Zukunft der großen rechten Kräfte, wurde doch die frühere Partei- und jetzige Fraktionschefin des RN, Marine Le Pen, am 31. März wegen Hinterziehung von Millionen Euro aus Fraktionsmitteln des EU-Parlaments unter anderem zu fünfjährigem Entzug des passiven Wahlrechts verurteilt. Das Berufungsverfahren dazu soll laut Angaben der Justiz im Frühsommer 2026 stattfinden. Dessen Ausgang dürfte darüber entscheiden, ob die RN-Politikerin ihre Partei in die Präsidentschaftswahl 2027 führen kann oder nicht. An ihrer Stelle könnte Bardella antreten. Doch der 29jährige gilt für das höchste Staatsamt in der Präsidialrepublik Frankreich in breiten Kreisen als zu jung und zu unerfahren.
Um diese Unbillen vergessen zu machen, erinnerten Le Pen und ihrer Unterstützer in dem kleinen Dorf Mormant-sur-Vernisson lieber an den Abend der EU-Wahl. Den Ort hatten sie nicht zufällig ausgewählt. Er zählt zwar nur 144 Einwohner. Diese stimmten aber bei der letzten Parlamentswahl zu stattlichen 89,9 Prozent für den RN. Die Anmietung eines Ackers und den Aufbau der Veranstaltungstechnik für eine Kundgebung zahlte das EU-Parlament.

Und so gaben sich Ungarns Premierminister Viktor Orbán – er wetterte gegen den »Bevölkerungsaustausch«, einen Dauerbrenner der völkischen Agitation –, Spaniens VOX-Chef Santiago Abascal, der belgische Vlaams-Belang-Häuptling Tom Van Grieken und Italiens Lega-Boss Matteo Salvini ein Stelldichein. Aus Estland durfte der Ekre-Politiker Martin Helme behaupten, das nationale Erbe müsse man »in den Knochen« haben, wo andere Völkische es eher im Blut verorten, und »um französischer Nationalist zu sein, braucht man die Knochen seiner Vorfahren in Frankreich«.
Drei- bis viertausend Menschen protestierten am Sonntag um die Mittagszeit im Zentrum von Montargis gegen die rechte »Siegesfeier«. Der Protestzug zählt zu den größten in der jüngeren Geschichte der Stadt mit starken Traditionen der Arbeiterbewegung, in ähnlichen Dimensionen wie die Demonstrationen gegen Macrons Rentenreform in 2023.
Die Gewerkschaftsverbände CGT und CFDT, die französische KP und die Grünen waren bei der Kundgebung gegen den RN und seine Gäste am stärksten vertreten. Neben deren Vertretern sprachen auch die von Menschenrechts- und Antirassismusgruppen wie Ligue des droits de l’homme und Mouvement contre le racisme et pour l’amitié entre les peuples auf der Protestversammlung, die den ganzen Nachmittag über im Stadtpark im Zentrum von Montargis andauerte.
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