Marsch der Standhaften
Von Jakob Reimann
Nach der gewaltsamen Übernahme des Gazahilfsschiffs »Madleen« ist Greta Thunberg aus Israel abgeschoben worden. Das israelische Außenministerium veröffentlichte am Dienstag morgen Fotos, die die Klimaschutzaktivistin an Bord eines Flugzeugs zeigen. Über Frankreich soll sie demnach nach Schweden ausgewiesen werden. Thunberg befand sich an Bord der »Madleen« auf deren Weg nach Gaza, als israelische Truppen das Schiff in der Nacht zum Montag mit Quadcoptern angriffen, enterten und die zwölf Passagiere entführten. Acht Aktivisten sollen laut dem israelischen Portal Ynet vorerst in einer Haftanstalt in der Nähe des internationalen Flughafens »Ben Gurion« bei Tel Aviv in Gewahrsam bleiben, da sie sich geweigert hätten, die notwendigen Ausweisungsdokumente zu unterzeichnen. Neben Thunberg hätten drei weitere Aktivisten die Formulare dagegen unterschrieben und sollten in ihre Heimatländer zurückkehren.
Unter den Entführten befinden sich laut dem Außenministerium in Paris auch die französische EU-Parlamentsabgeordnete Rima Hassan. Bei den laut Beobachtern größten Protesten seit Kriegsbeginn gingen in Frankreich am Montag in knapp 200 Städten Hunderttausende auf die Straßen, um ihre Solidarität mit Hassan und den anderen Entführten zum Ausdruck zu bringen. »Freiheit für Rima! Freiheit für unsere Genossen!« skandierten die Menschen in Nantes und entrollten eine palästinensische Flagge vor dem Rathaus, heißt es im Onlinemagazin Socialist Worker. Allein in Paris versammelten sich mehr als 50.000 Menschen. Das Ausmaß der Proteste spiegele »die tiefsitzende Wut« über Israels »vorsätzliche Kampagne zur Aushungerung der Palästinenser« wider.
Die versuchte Durchbrechung der Seeblockade durch die »Madleen« ist Teil einer breitangelegten internationalen Protestkampagne gegen die Strategie der Aushungerung der Bevölkerung in Gaza und die jahrzehntelange Blockade des Küstenstreifens. Im »Marsch nach Gaza« machen sich Tausende Aktivisten aus Dutzenden Ländern in diesen Tagen auf den Weg zu dem militärisch abgeriegelten Gebiet. Rund tausend Freiwillige sind bereits am Montag von Tunesien aus mit einem Landkonvoi namens »Sumud« (»Standhaftigkeit«) dorthin aufgebrochen, teilte Africa News mit. Der von tunesischen Jugendgruppen organisierte Konvoi soll über Libyen und Ägypten »bis Ende der Woche« den Grenzübergang Rafah erreichen, sagte die Aktivistin Jawaher Channa gegenüber AFP. Allerdings habe Kairo noch keine Durchfahrtgenehmigung erteilt.
Unterdessen gehen die nahezu täglichen tödlichen Angriffe auf Menschen weiter, die an den von US-Söldnern betriebenen Hilfsausgabestellen in Gaza verzweifelt auf Nahrung warten. Am Montag wurden dabei 14 Palästinenser von israelischen Truppen und mit ihnen verbündeten Milizen erschossen und rund 100 weitere verletzt, meldete AP. Die von Israel unterstützten Gangs umfassen laut Recherchen des Journalisten Mohammed Schehada mit dem »Islamischen Staat« verbundene Kämpfer, Drogendealer und Mörder, die wiederholt an Plünderungen von Hilfslieferungen in Gaza beteiligt waren. Augenzeugen berichten von Chaos und Panik, als »israelische Quadcopter über dem Gebiet kreisten, Panzer vorrückten und Soldaten das Feuer auf hungernde Menschenmengen eröffneten«, schreibt die US-Investigativplattform Drop Site News. Die begleitenden Videos sollen Hunderte Menschen zeigen, die unter Trümmern und hinter Sandhügeln Schutz vor dem Feuer suchen.
Die israelische Armee räumte die Angriffe ein, behauptete jedoch, ihre Soldaten hätten »Warnschüsse« abgegeben, um Personen zu vertreiben, die »eine Bedrohung für die Truppen darstellten«. Dies sei trotz Warnungen geschehen, »dass das Gebiet eine aktive Kampfzone ist«, heißt es auf dem Telegram-Kanal der Streitkräfte. Abgesehen davon, dass israelische Soldaten in Gaza selbst in ausgewiesenen »Schutzzonen« Zivilisten erschießen und eine derartige Kennzeichnung entsprechend absurd erscheint, berichtete Drop Site News von »Schüssen in den Kopf, den Hals oder die Brust, was auf gezielte Angriffe hindeutet«.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- ABACAPRESS/IMAGO10.06.2025
Untersuchung zum Gazakrieg
- Christophe SIMON/AFP06.06.2025
Todesfracht bleibt an Land
- Phil Nijhuis/ANP/dpa21.05.2025
Israels Rückhalt schwindet
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Trump eskaliert
vom 11.06.2025 -
Nuklearanlagen im Visier
vom 11.06.2025 -
Rassistischer Mob wütet in Nordirland
vom 11.06.2025 -
Liberale auf der Kippe
vom 11.06.2025 -
Amtsanmaßung von ultrarechts
vom 11.06.2025 -
»Viele Juden haben Israel den Rücken gekehrt«
vom 11.06.2025