Niederlage noch möglich
Von Kristian Stemmler
Eine Bitte habe er noch an seine Anhänger im Gerichtssaal, schrieb Jürgen Elsässer, Chefredakteur von Compact, am Dienstag auf der Homepage des rechten Magazins: »Verhalten Sie sich ordentlich und vermeiden Sie jede Form von Zwischenrufen, Beifall oder Klamauk.« Mit dieser Ermahnung, die er mit Blick auf sein Zielpublikum offenbar für nötig hielt, lud Elsässer Leser zur Hauptverhandlung im Verbotsverfahren gegen Compact ein, die gleichentags vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig begann. Verhandelt wurde das Verbot der Firmen hinter dem Magazin, das die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Juli 2024 ausgesprochen hatte. Compact hatte dagegen geklagt und mit Erfolg einen Eilantrag gegen die Vollziehbarkeit des Verbots eingereicht. Das Magazin konnte vorerst weiter seine rechte Hetze verbreiten.
Zu dem Prozess, der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen vor dem sechsten Senat des BVerwG stattfindet, kamen laut dpa zahlreiche Unterstützer. Über Störungen wurde nichts berichtet. Vor der Verhandlung zeigte sich der rechte Demagoge Elsässer überraschend zahm. »Wir sind optimistisch, dass das Gericht eine demokratische Entscheidung trifft«, erklärte er. Eine Niederlage lasse sich aber nicht ausschließen: »Fällt das Urteil zu unseren Ungunsten aus, ist Compact tot«.
Faeser hatte das Verbot unter anderem damit begründet, dass Elsässers Postille ein »zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene« sei und »allgemein gegen das politische System« agitiere. Das Magazin wurde Ende 2021 als »gesichert rechtsextremistische Vereinigung« eingestuft. In der aktuellen Verhandlung dürfte entscheidend sein, dass das mittlerweile von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Ministerium die behauptete »kämpferisch-aggressive Haltung« von Compact gegenüber der Verfassung belegen kann.
Worauf es dabei ankommt, dafür bietet die Begründung des BVerwG vom August 2024 im Eilverfahren Anhaltspunkte. So dürfte ein wichtiges Argument des rechten Magazins, nämlich die unzulängliche Anwendung von Vereinsrecht durch das Innenministerium, keinen Bestand haben. Das Gericht konstatierte damals, dass ein Vereinsverbot als Instrument des »präventiven Verfassungsschutzes« auch gegenüber Medienorganisationen erlassen werden könne. Auch die vom Ministerium vorgebrachten Anhaltspunkte für eine Verletzung der »verfassungsmäßigen Ordnung« wurden vom sechsten Senat bestätigt.
In den Publikationen des Magazins scheine ein »völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept« auf. Im Grunde solle »jegliches Fremdsein unterdrückt und verwehrt werden«, so das BVerwG damals. Indizien für eine Missachtung der Menschenwürde ergäben sich auch dadurch, dass Ausländern und Migranten pauschal negative Eigenschaften und ein Hang zur Kriminalität zugeschrieben würden. Allerdings verwies der sechste Senat darauf, dass es für ein Verbot nicht ausreiche, wenn ein Verein sich kritisch oder ablehnend gegen die »freiheitlich demokratische Grundordnung« wende.
Einzelne Ausführungen in den Print- und Onlinepublikationen von Compact ließen Anhaltspunkte »insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde« erkennen, hieß es damals weiter. Es deute auch »Überwiegendes« darauf hin, dass das Magazin in vielen Beiträgen eine »kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen« einnimmt. Zweifel habe das Gericht jedoch, ob angesichts der »in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge« jene, die die Menschenwürde verletzen, »derart prägend sind, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist«. Das Fachportal Legal Tribune Online fasste die Entscheidung mit den Worten zusammen: »Insgesamt reichen dem sechsten Senat wohl schlicht die ihm vorliegenden Informationen nicht aus.«
Um ausreichend Zeit für den Fall zu haben, hat das Gericht für die Hauptverhandlung vorsorglich auch den 11. und den 12. Juni angesetzt. Offen ist, ob die Richter bereits am Ende der mündlichen Verhandlung ein Urteil sprechen werden.
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